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Interview vor der EWR-Abstimmung mit Nationalrat Christoph Blocher (ein Beitrag vom September 1992)

Christoph Blocher ist Industrieller (Präsident der Ems-Chemie, Domat/Ems) und seit 1979 SVP-Nationalrat. Ausserdem ist er Präsident der Schweizerischen Volkspartei des Kantons Zürich und Präsident der Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (AUNS).

Die Mythen-Post stellte Nationalrat Christoph Blocher einige Fragen zum Thema „EWR/EU“.

„Der grosse Vereinfacher landet wie ein Heli, wirbelt Staub auf und verschwindet wieder“, kann man über Sie in der Presse lesen. Waren Sie schon immer so? Woher haben Sie Ihr Naturell?
Mein Naturell? Ich bin durch die Lebensumstände geprägt, d.h. gewohnt, als Unternehmer täglich in kurzer Zeit viel zu erledigen. Dazu muss die Sache gut überlegt und abgewogen sein. Dann aber gilt es Stellung zu nehmen – einfach und klar. Erfolgreich kann man nur führen, wenn man Impulse geben und Stellung beziehen kann. Das versuche ich auch in der Politik so zu machen. Dass in einer Zeit, wo Wunschdenken und Image regiert, so etwas auffällt, ist verständlich.

Ihre Politik ist einfach und geradlinig. Von vielen anderen Politikern ist man sich hingegen gewohnt, dass sie sich wie Fähnchen nach dem Wind richten. Wie schafft man es, erfolgreich und konsequent seinen eigenen Weg zu gehen?
Immer zur eigenen Meinung stehen ist zwar mühsam, zahlt sich aber aus. In der Politik ist es oft so, dass wer eine Meinung vertritt, gerne niedergeschrieen und verunglimpft wird. Das ist jetzt in der EU-Problematik ersichtlich, zeigt aber die unsichere Position der Gegner. Konsequenz erachte ich als eine der Grundvoraussetzungen in der Führung als Unternehmer, aber auch für die politische Arbeit.

Sie sind Präsident der AUNS, der Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz. Sie kämpfen vehement gegen einen EWR- bzw. EU-Beitritt der Schweiz. Warum?
Ein solcher Beitritt würde Verzichte bei der Neutralität, den Volksrechten, der Selbständigkeit von Bund, Kantonen und Gemeinden bedeuten. Ausserdem wären weitere Nachteile wie Lohn- und Einkommensverluste, höhere Steuern, Überfremdung, höhere Zinsen und die Vernichtung der einheimischen Landwirtschaft in Kauf zu nehmen.

Christoph Blocher.

Sie haben viele Argumente auf Ihrer Seite. Und trotzdem ist die Situation gefährlich. Unser Bundesrat liebäugelt mit der EU, nicht wenige Parlamentarier plädieren für einen EU-Beitritt, und Tag für Tag berieseln uns die Staatsmedien Radio und Fernsehen mit EWR/EU-Propaganda. Die Folge ist, dass viele Leute sagen: „Wir dürfen doch kein Sonderfall bleiben, wir müssen uns doch anpassen!“ Woher stammt Ihrer Meinung nach dieses Bedürfnis nach „Anpassung“?
Es ist immer einfacher – aber eben auch gefährlich – einem Modetrend nachzulaufen. Ein EU-Beitritt ist jedoch für die Politiker und Funktionäre auch interessant: Ein Grossteil der Verantwortung nimmt einem die EU ab. Bei allem kann man in der Zukunft dann die EU haftbar machen. Die Volksrechte – und damit die Aufsicht über die Politiker – werden abgebaut, so kann man eher machen was man will. Für Politiker ist zudem der internationalen Konferenztourismus lukrativ und interessant. Darum kann nur das Volk den EWR- und EU-Beitritt beseitigen.

Viele Schweizer Grossindustrielle sind heute für einen EWR/EU-Beitritt. Warum?
Die internationalen Konzerne erhoffen sich einen offenen Arbeitsmarkt (mit der EU könnten alle Ausländer aus der EFTA und den EU-Staaten in der Schweiz frei arbeiten und ein Geschäft gründen), tiefere Löhne und Forschungsgelder von der EU sowie mehr öffentliche Aufträge aus dem EWR-Raum. Man muss sehen, diese Firmen haben meist den Grossteil ihrer Aktivitäten im Ausland. Ich bin überzeugt, dass der EWR-Vertrag und die EU für die Wirtschaft nachteilig sind. Tieferen Lohnkosten werden nämlich mehr Arbeitslose, höhere Zinsen und Steuern sowie mehr Gesetze und Regelungsdichte gegenüberstehen. Die internationalen Ausschreibungen mit dem Einspracherecht jedes Ausländers, der in der Schweiz nicht zum Zuge gekommen ist, werden aber die kleinen Unternehmen in der Schweiz hart treffen.

Das Welschland gilt als „EU-freundlich“, vor allem die Stadt Genf. Sehen die Westschweizer die verheerenden Auswirkungen eines EWR/EU-Beitritts nicht?
Ob das Welschland so EU-freundlich ist, wird die Abstimmung zeigen. Ich stelle fest, dass auch in der welschen Schweiz zunehmend der Widerstand wächst. Wenn die Information gegen den EWR-Vertrag in der Westschweiz zugelassen wird, werden die Welschen den EWR-Vertrag ebenfalls verwerfen.
(Anmerkung der Redaktion: Dies ist dann aber nicht geschehen. Die Welschen haben dem EWR zugestimmt.)

Was kritisieren Sie hauptsächlich an der heutigen Form der EU? Wer profitiert, wer verliert?
Die EU ist zentralistisch, bürokratisch, sie will alles vereinheitlichen und regeln. Davon profitieren vor allem die Politiker, die Funktionäre, aber auch Grosskonzerne; die Verlierer sind dabei das Volk, der gesunde Mittel- und Kleinbetrieb sowie die Landwirtschaft. Wohl bekommen arme Länder wie Griechenland, Portugal, Irland etc. Geld von den reicheren Staaten. Aber ob dies die richtige Form zur Selbsthilfe ist?

Wie stellen Sie sich einen Alleingang der Schweiz vor?
Unabhängig – weltoffen – erfolgreich muss die Devise sein. Wie bisher hat die Schweiz ihre Politik mit den Freihandelsverträgen mit der EU, aber auf der Basis der Unabhängigkeit und der Neutralität festzusetzen. Das wird für die Schweiz sehr chancenreich sein, denn die EU treibt eine schlechte Wirtschaftspolitik. Wohl wird man da und dort um gewisse Normvereinheitlichung nicht herumkommen, was ja wohl auch sinnvoll ist, aber gerade auffressen lassen muss man sich dabei nicht.

Die Ausländerpolitik des Bundesrates ist etwas, was breite Teile der Bevölkerung der Schweiz sehr beschäftigt. „Wir haben heute viel zu viele Ausländer in der Schweiz“, hört man oft. Wer ist dafür verantwortlich? Was kann dagegen getan werden? Würde ein EWR/EU-Beitritt dieses Problem nicht noch verschärfen?
Der EWR- und der EU-Beitritt bringen offene Grenzen für alle Personen aus diesen Staaten. Zweifellos würde das Ausländerproblem verschärft. Verantwortlich für den Missstand sind Bundesrat und Parlament, welche das Asylsuchen zu interessant gemacht haben, so dass vor allem andere als echte Flüchtlinge gekommen sind. Unterschreiben Sie die Volksinitiative der SVP: Stopp dem Asylrechtsmissbrauch. (Anmerkung der Redaktion: In diesem Punkt hat die Mythen-Post eine andere Auffassung.)

In der Innerschweiz haben Sie sehr grosse Sympathien. Viele Schwyzerinnen und Schwyzer würden sich über einen Vortrag von Ihnen zum Thema EWR/EU sehr freuen. Werden Sie uns im Oktober oder November einmal besuchen?
Ich habe soviele Anfragen, dass ich mich etwas konzentrieren muss. Aber ich werde am 10. November (1992) in Einsiedeln an einer Grossveranstaltung sprechen.

Sie mobilisieren mit der AUNS gegen einen EWR/EU-Beitritt unseres Landes. Wie kann man AUNS-Mitglied werden?
Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) kämpft gegen den EWR- und EG-Beitritt. Wir sind froh um jedes Mitglied. Ein Brief an die AUNS, Bern, genügt. Sie erhalten die Unterlagen und können sich anmelden.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Persönlich
Name: Blocher
Vorname: Christoph
Geburtsdatum: 11.10.40
Sternzeichen: Waage
Militärischer Grad: Oberst
Hobbys: Kunst, Musik, Bergtouren
Farbe: Rot
Lieblingstier: Pferd
Essen: Wurstsalat
Getränk: Wasser
Politiker: Die Mutigen
Musiker: Mozart
Musikerin: Margaret Marshall
Schauspieler: Heinrich Gretler
Schauspielerin: Therese Giese
Lebensmotto: „Tue recht und scheue niemand!“
Nachtrag
Blocher und eine SVP haben nach 1992 keine förderliche Politik betrieben. Mit dem EWR-Nein hätte die Schweiz die Chance gehabt, es besser zu machen als andere Länder, z.B. im Sozial- und Sozialversicherungsbereich. Blocher und „seine“ SVP haben jedoch dem Schweizer- Sozial- und Sozialversicherungssystem mit ihrer „oft dummen, ja verantwortungslosen Politik“ in den vergangenen 25 Jahren sehr geschadet und die Schere zwischen Arm und Reich vergrössert.

 


EU/EWR

 

 

 

 

 

 

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