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Die „Karriere“ einer Pflanze

Warum der Knoblauch eine so einzigartige Anziehungskraft auf die Menschen ausübt, ist bis heute ein Rätsel. Vor 2’500 Jahren bezeichneten ihn die Griechen als „stinkende Rose“. Davor und danach hat er die verschiedensten Namen bekommen – Armenkampfer und Hexengift, Nahrung der Brotlosen und Liebeswurz. Doch wie er auch genannt wurde, etwas drückte der Begriff immer aus, nämlich den festen Glauben der Menschen an die wunderbaren Kräfte dieser merkwürdigen Pflanze.

Knoblauchsucht
Der erste bekannte Fall von Knoblauchsucht liegt ungefähr 4’500 Jahre zurück, als in Babylonien ein König 395’000 Scheffel für seinen Tisch bestellte. Und seither haben die Menschen den Knoblauch nicht nur zum Würzen benutzt, sondern sich und ihre Babys mit seinem Öl eingerieben, ihn ihren Toten mitgegeben, die Zehen um den Hals getragen, in die Schuhe gesteckt, im Zimmer aufgehängt und sogar angebetet.

Knoblauchstreik
Die alten Ägypter legten eine weissgetünchte Tonknolle in die Gräber der gewöhnlichen Sterblichen, ihrem Pharao Tut-ench-Amun aber sechs Knollen echten Knoblauch in den goldenen Sarkophag. Sie glauben, dass der Pflanze neben ihren kulinarischen Qualitäten noch das Geheimnis körperlicher Stärke innewohnte. König Cheops wandte 1’600 Silbertalente auf, um für die Arbeiter an der Grossen Pyramide Knoblauch zu beschaffen – sie waren in den Streik getreten, weil der Vorrat zur Neige ging.

Anspruchslose Pflanze
Botanisch gesehen ist der Knoblauch keine anspruchsvolle Pflanze. Eine einzige Zehe, an einem sonnigen Platz in feuchtes Erdreich gesteckt und regelmässig begossen, keimt in gemässigten Breiten praktisch immer. Auch vom Aussehen her ist er nicht auffallend: eine knotige Zwiebel, kaum grösser als ein Rosenkohl, zusammengesetzt aus 6 bis 13 enggeschichteten länglichen, mit papierener Haut überzogenen Nebenzwiebeln.
Doch nachdem die Menschen zum erstenmal Nase und Zunge mit dieser eigenartigen Lilie (Knoblauch gehört tatsächlich zur Gattung der Liliengewächse) in Berührung gebracht hatten, nahmen sie an, dass eine Pflanze mit einem derartig scharfen, beissenden, schwefligen Geruch einfach etwas Aussergewöhnliches sein müsse. Und so hat der Knoblauch nicht nur beim Bau der Cheopspyramide mitgewirkt, sondern auch den Athleten der griechischen Antike Ausdauer gegeben und den Kampfesmut der alten Römer gestärkt.
Immer wieder in der Geschichte wurde die Pflanze auch als unübertroffenes Aphrodisiakum gepriesen – obwohl vermutlich niemand die Frage beantworten kann, wie das Verlangen dem „Duft“ eines Liebhabers standhalten soll, der schon nach dem Genuss von zwei bis drei hundertstel Milligramm Knoblauchöl durchdringend danach riecht.

„Heilendes Kraut“
Für unsere Gesundheit soll bereits der Geruch Wunder wirken. Keine andere Pflanze gilt so lange schon als Heilmittel gegen die verschiedensten Leiden. Der römische Gelehrte Plinius empfahl 61 Knoblaucharzneien, so gegen Schlangenbisse, Hämorrhoiden, Magengeschwüre, Asthma, Krämpfe, Masern und Erkältungen. Die indischen Heilkundigen des 5. Jahrhunderts verordneten Knoblauch zur Vervollkommnung der Stimme und des Geistes, die Perser im Mittelalter schrieben ihm kreislauffördernde Wirkung zu, die Chinesen empfahlen ihn als Beruhigungsmittel. Bei Choleraepidemien klammerten sich die Menschen an Knoblauch als letzte Hilfe (sogar noch 1973 in Neapel). Für Millionen gilt bis heute der Satz aus einem Pflanzenbuch des 17. Jahrhunderts: Knoblauch, heisst es darin, „ist ein Heilkraut für alle Krankheiten.“

Antiseptische Wirkung
Heute mögen viele Leute gegenüber der dem Knoblauch zugeschriebenen Heilkraft skeptisch eingestellt sein. Doch zerdrückter Knoblauch wirkt tatsächlich stark antiseptisch. Die Militärärzte, die in den beiden Weltkriegen zum Improvisieren gezwungen waren, schworen auf Knoblauchsaft gegen Blutvergiftung und Brand. Ihre Erfahrungen wurden 1954 von einem russischen Wissenschaftler bestätigt, der herausfand, dass Knoblauchsaft innerhalb drei Minuten eine ganze Bakterienkultur vernichten kann. Zwei Untersuchungen, die 1973 in einer medizinischen Fachzeitschrift in England veröffentlicht wurden, kamen zu dem Ergebnis, dass Knoblauchsaft in der Lage ist, den Blutzucker bei Diabetikern zu verringern und den Cholesterinspiegel erheblich zu senken.

Königlicher Küchenmeister
Seine eigentliche Zauberkraft aber entfaltet der Knoblauch am Herd. Er gehört in Spanien, Italien, Griechenland, ja praktisch in allen Mittelmeerländern und natürlich auch in ganz Südasien bis hin nach Japan und China zum unentbehrlichen Bestandteil des Essens.
Keine Hausfrau, die etwas auf ihre Kochkünste hält, könne – so heisst es – heute auf Knoblauch verzichten. Und jeder, der gern die bekannteren italienischen Gerichte isst, wird früher oder später auf Knoblauch schwören. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung bestimmt das Gewürz nicht den Geschmack feiner Speisen. Mehr als eine Zehe setzt keine Italienerin ihrer Spaghettisauce zu, und selbst bei ihrem vorzüglichen Lamm- oder Kalbsbraten geht sie sparsam mit dem Gewürz um.

In Frankreich gibt’s die meisten Knoblauchgerichte
Auch die Franzosen verwenden weniger Knoblauch, als im allgemeinen angenommen wird. Nur ein Hauch rundet den Geschmack ihrer Salate und feinen Saucen ab. Allerdings haben die Franzosen die meisten Knoblauchgerichte.

Keine Angst vor der „Fahne“!
Leuten, die Angst vor einer „Fahne“ haben, sei zur Beruhigung gesagt, dass ihr Atem sie niemals verrät – Hauptsache, der Knoblauch ist gekocht. Nur wenn man ihn roh zerdrückt, also zum Beispiel eine Salatschüssel damit ausreibt, werden seine scharfen, durchdringenden Geruchsessenzen frei.

 

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