Inserat

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EL-Debatte im Nationalrat vom März 2018

Von 2004 bis 2014 präsidierte Pirmin Schwander die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS). Hätte man mit dem Alleingang nicht auch zeigen können, dass die Schweiz zu einer besseren und menschlicheren Sozialpolitik fähig ist?

SVP-Nationalrat Pirmin Schwander: Er wollte auf die „heiklen Fragen“ betr. der EL-Debatte vom März 2018 im Nationalrat auf Anfrage zuerst gar nicht eingehen, sondern vertröstete, er werde sich dann schon noch melden. Auch hier das Problem: Der falsche Entscheid im Nationalrat lässt sich im Nachhinein nicht mehr rein waschen. Auch nicht mit dem Hinweis, dass man sich am Sonntag noch für die Befreiung von Kindern aus einem Heim einsetze.

Lieber Herr Schwander: Ethik ist unteilbar!
Wenn man sich positiv für das Wohl von Kindern einsetzt und diese aus einer Zwangssituation (Heim) befreien will, so ist dies sehr löblich. Aber man muss dann als SVP-Politiker auch so couragiert sein christlich zu handeln und ein Nein zur EL-Sparvorlage abliefern! Alles andere ist falsch und nicht konsequent.

Zivilcourage zeigen und Vorbild werden
Wenn man merkt, dass die eigene Partei eine Sozialpolitik betreibt, die Behinderte und ältere Menschen (z.T. unwissend, weil man von der EL-Thematik wenig bis gar keine Ahnung hat) diskriminiert, so gilt es, davon Abstand zu nehmen und Opposition gegenüber jenen zu machen, welche innerhalb der Partei Wortführer einer solchen verantwortungslosen Politik sind.

Es muss einer nicht die Hochschule für soziale Arbeit in Luzern besucht haben, um zu erkennen, dass die SVP mit ihrer Art von „Sozialpolitik“ komplett auf dem Holzweg ist
Man darf sich auch einmal fragen, was die SVP-Politik der vergangenen 25 Jahre den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gebracht hat. Statt rund 6 Mio. haben wir heute in der Schweiz über 8,4 Mio. Einwohner. Trotz rekordtiefen Hypothekarzinsen sind die Mieten teilweise um 40% und mehr gestiegen. Die, die bereits schon viel hatten und haben sind noch reicher geworden. Und denjenigen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie ohnehin schon zuunterst sind (Invalide, ältere Menschen mit EL) geht es noch schlechter.

Das Schweizer Sozialsystem erlebte durch die SVP-Politik in allen Bereichen vor allem eines: Rückschritte
Es wird Jahre gehen, um die sozialpolitischen Schäden, die durch die „politische Ära SVP“ entstanden sind, zu korrigieren und auf einen akzeptablen Stand zu kommen.

Ein Beispiel dieser politischen Verantwortungslosigkeit:
Seit dem Jahre 2001 bis heute wurden die anrechenbaren Wohnkosten in der EL kein einziges Mal angepasst. D.h. übersetzt nichts anderes, als dass EL-EmpfängerInnen über die Jahre um tausende von Franken geprellt wurden. Zur Finanzierung ihrer Wohnungen mussten sie Geld aus dem Lebensbedarf zuschiessen.

Die verantwortungslose nationalrätliche Sozialpolitik der SVP und ihrer Mitläufer aus FDP und Teilen der CVP will diesen Zustand nicht durch eine Anpassung der anrechenbaren Mietkosten in der EL an die Marktmieten beheben, sondern nach 17 Jahren (!) mit einer minimalen Erhöhung von Fr. 100.- „angleichen“, d.h. den seit Jahren unhaltbaren Zustand weiterführen:

Fehlbeträge Wohnungsmiete 2-Personenhaushalt (aufgrund nicht angepasster Wohnkosten in der EL)
Jahr Mietpreis pro Monat

Anrechenbare Wohnkosten EL

Fehlbetrag pro Monat

Fehlbetrag pro Jahr

2018 2’000.00 1’250.00

750.00

9’000.00
2019 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2020 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2021 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2022 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2023 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2024 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00 
2025 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2026 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00 
2027 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00 
2028 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2029 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00 
2030 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2031 anteilig 2’000.00 1’350.00

650.00

7’800.00
2’000.00 1’250.00 / 1’350.00

750 / 650

9’000.00 / 7’800.00

Der Mietpreis von Fr. 2’000.– entspricht dem Durchschnittsmietpreis des mietbaren Angebots im Talkessel Schwyz.

Das Armutsproblem in der EL wegen zu wenig anrechenbaren Wohnkosten in der EL soll gemäss Ausgang der nationalrätlichen Debatte nicht behoben, sondern weiter zementiert werden. Gemäss der Behindertenorganisation Procap sollen die Ausgleichskassen sogar noch die Möglichkeit bekommen, den Betrag um Fr. 100.- zu senken. Solches spottet jedem gesunden Gerechtigkeitsempfinden!

Was die SVP und ihre Vertreter in Sachen Sozialpolitik seit Jahren vertreten, ist als ein „Verrat am Volk“ zu bezeichnen
Die sozialversicherungsrechtliche Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit tauchte jedoch nicht erst anlässlich der nationalrätlichen Debatte auf, sondern sie ging bereits schon aus dem EL-Vorschlag des Bundesrates hervor, der mit der Streichung des Ehegattenabzugs gleich eine hundertprozentige Heiratsstrafe in der EL einführen wollte. Was das für praktische Folgen für die Betroffenen hat, scheint niemanden (weder Politik noch Verwaltung) zu interessieren, nämlich die Kostenabwälzung von der staatlichen Sozialversicherung auf den nicht-invaliden-Ehegatten. Wofür sich die „hohe Politik“ in grossem Masse interessiert und profiliert, sind hingegen Fragen betr. des Umwandlungssatzes in der Pensionskasse. Warum interessiert das? Weil die meisten davon ab Jahreseinkommen Fr. 80’000.– plus selber betroffen sind. Aber von EL hat man im Gegensatz dazu praktisch keine Ahnung, weil man als Politikerin/Politiker nicht selber betroffen ist. Obwohl man eigentlich keine Ahnung von der Materie hat, betrachtet man sich aber trotzdem als „kompetent“, um in EL-Fragen politisch zu entscheiden!

Für Nationalrätinnen und Nationalräte dringend empfohlen: 1 Jahr lang selber leben zu EL-Bedingungen
Die Lösung wäre, dass ParlamentarierInnen mindestens 1 Jahr lang gezwungen sein müssten, selbst unter „EL-Verhältnissen“ zu leben. Dann würden sie nämlich die Probleme im EL-Bereich spüren und es würde erstaunlich rasch zu positiven Verbesserungen kommen.

Die Menschen werden in der EL durch ein Leben am Existenzminimum krank gemacht
Das wird politisch in Kauf genommen, hat man doch ein „Gesundheitswesen“ aufgebaut, in das man jedes Jahr mit Selbstverständliche ein Teuerungs-Plus von 4% steckt. Das ist heutige „Realpolitik“, die mit den Adjektiven „dumm“ und „verantwortungslos“ umschrieben werden kann.
Anhand der 17jährigen Nullanpassung betr. anrechenbaren Wohnkosten in der EL und dem selbstverständlichen jährlichen Ausgleich der Krankenkassenprämien (seit Einführung des KVG um 130%!), kann man den Wahnsinn resp. die Absurdität dieses politischen Systems wunderbar aufzeichnen.
In 14 Jahren werden die „Gesundheitskosten“ (Krankenkassenprämien resp. deren Individuelle Prämienverbilligung IPV) die anrechenbaren Wohnkosten eines 2-Personenhaushalts in der EL eingeholt, danach sogar überholt haben. D.h. die „Gesundheit“ kostet mehr als das Wohnen (d.h. die zugestandenen Wohnkosten in der EL):

KVG-Prämien 2-Personenhaushalt (jährlicher Prämienanstieg 4%)
Jahr Prämie pro Monat am Jahresanfang

Jährliche Teuerung 4%

Teuerung gesamt

Prämie inkl. Teuerung am Jahresende

2018

800.00

32.00

32.00

832.00

2019

832.00

33.28

65.28

865.28

2020

865.28

34.61

99.89

899.89

2021

899.89

36.00

135.89

935.89

2022

935.89

37.44

173.32

973.32

2023

973.32

38.93

212.26

1’012.26

2024

1’012.26

40.49

252.75

1’052.75

2025

1’052.75

42.11

294.86

1’094.86

2026

1’094.86

43.79

338.65

1’138,65

2027

1’138.65

45.55

384.20

1’184.20

2028

1’184.20

47.37

431.56

1’231.56

2029

1’231.56

49.26

480.83

1’280.83

2030

1’280.83

51.23

532.06

1’332.06

2031 anteilig

1’332.06

17.94

550.00

1’350.00

 Gesamtsummen

1’350.00

550.00

550.00

1’350,00

Wie sagte doch Peter Scholl Latour vor Jahren treffend: „Wir leben im Zeitalter der Massenverblödung.“

Statt die Ursachen (Armutsproblem in der EL aufgrund u.a. zu tiefer anrechenbarer Wohnkosten) zu lösen, findet eine Umlagerung der Kosten ins KVG statt
Die SVP-Hardliner meinen dann vermutlich noch, sie würden mit ihrer Sparpolitik bis auf Zahnfleisch eine „gute Sozialpolitik“ betreiben. Sie übersehen, dass Armut auf die Dauer krank macht (finanzielle Sorgen verursachen Stress) und letztlich nur zu einer Kostenumlagerung führt! (siehe Tabelle oben) 
Wer zu wenig Geld hat, keine geeignete Wohnung findet und dadurch gezwungen ist an einer verkehrsreichen Strasse zu wohnen, leidet unter Stress, wird z.B. zusätzlich depressiv, herzkrank oder zum Alkoholiker. Dies verursacht dann noch mehr Kosten im KVG-Bereich. Die von der SVP, FDP [ich schäme mich als „Links-Liberaler“ mittlerweile für die Sozialpolitik dieser Partei] und Teilen der CVP eingesparten Wohnkosten in der EL von z.B. Fr. 360.- pro Monat fliessen dann in die Kasse eines Therapeuten, der dem EL-Bezüger pro Monat 2 Stunden à Fr. 180.- = Fr. 360.- für eine Behandlung berechnet. Die Fr. 360.- finden sich nicht in der EL-Berechnung (anrechenbare Wohnkosten), sondern als Behandlungskosten im KVG. Vorteil dieser „rechten Sozialpolitik“ ist, dass sie „wirtschafsfreundlich“ ist und den Markt von Therapeuten und Pharmafirmen belebt. Nachteilig ist sie für Betroffene, weil das ursächliche Problem (Wohnen und Armut!) nicht gelöst wird.

Nicht finanzierbar“
Ein Argumentationsklassiker (auch von Roger Köppel vorgebracht), der vorschnell und leichtgläubig von allzu Vielen übernommen wird, ist jener der angeblichen „Unfinanzierbarkeit“. Nichts anderes als ein Ablenkungstrick! Es ist nicht so, dass zu wenig Geld vorhanden wäre. Es geht um ein reines Verteilungsproblem.

Beispiele:

  1. Es macht absolut keinen Sinn, komplett überteuerte Schweizer Medikamentenpreise via KVG zu subventionieren. Welchen Sinn sollte es machen, in der Schweiz für ein Medikament den doppelten Preis zu bezahlen wie in Deutschland? Es gehört nicht zur Aufgabe der öffentlichen Hand private Pharmafirmen finanziell zu unterstützen.
    Allein mit den hunderten von Millionen Franken, mit denen künstlich überteuerte Schweizer Medikamentenpreise finanziert werden, kann man für anständige Bedingungen (marktgerechte anrechenbare Wohnkosten!) bei den Ergänzungsleistungen sorgen! Und das in der EL vorherrschende Armutsproblem lösen.
  2. Allein durch die Streichung unnötig parfümierter (allergieauslösender) Produkte (z.B. Excipial im Bereich der Dermatologie) könnten im KVG-Leistungskatalog Millionen eingespart werden. Nicht nur zum Vorteil der Bundeskasse, sondern darüber hinaus zum Wohl der Patienten.

Nationalrat Pirmin Schwander ist als Unternehmer/Unternehmensberater tätig. Als solcher sollte man nach Jahren auf den ersten Blick erkennen können, dass die betriebene negative Sozialpolitik der SVP und ihren Anhängern dem Volk mehr schadet als nützt. Durch das Ja anlässlich der EL-Sparvorlage im Nationalrat kommen die Schwächsten (Behinderte und ältere Menschen) unter die Räder, die für die Ignoranz, Inkompetenz und vor allem Verantwortungslosigkeit von Politikerinnen und Politikern schlichtweg nichts können.

 

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