Inserat

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Vorbemerkung: Hier finden Sie Briefe (Faxe) von Urs Beeler an Bert Engelbrecht, Neuseeland.

 

Mythen-Post Mr. Bert Engelbrecht
Postfach 7 3 Patchett Place
6431 Schwyz NZ-Christchurch 8002
Tel./Fax 041 811 20 77 Fax 00643 337 6113

 

Schwyz, den 14.1.96

 

Lieber Bert

Vielen Dank für Dein Fax vom 12.1.96.

Nun schreiben wir also schon wieder ein neues Jahr. Von mir aus hätte „1995“ weitergehen können. Für 1996 hatte ich anfänglich ein ungutes Gefühl.

Vor Weihnachten war ich recht gut in Form, arbeitete, was ich konnte. Aber zwischen Weihnachten/Neujahr kam die „Retourkutsche“. Ich fühlte mich richtig ausgebrannt.

Weihnachten selbst machte mir keine grossen Probleme. Ich überstand sie ohne „Sentimentalität“… Aber der Jahreswechsel machte mir mehr zu schaffen. Vor allem die Verlogenheit!

Die Leute wünschen sich alle ein gutes neues Jahr – aber fahren so bescheuert weiter wie alle Jahre zuvor. Nichts ändert sich, wird besser.

Ich glaube, dass all die guten Vorsätze, die die Leute vorgeben, nichts anderes als Heuchelei sind.

Der Gedanke, dass sich kaum etwas in dieser Welt zum Besseren ändern wird, lässt mich schier verzweifeln.

Die Mehrheit der Menschen (hier) ist psychisch erstarrt. Dabei hätten sie die Möglichkeit, sich das Paradies auf Erden zu schaffen. Es wäre möglich!

Was mich jeweils auch auf die Palme bringt, ist das mangelnde Rechtsempfinden vieler Leute. Vor allem die Tendenz mancher, sich Rechte herauszunehmen, die ihnen gar nicht zustehen. Ob es anderswo besser ist – ich weiss es nicht.

Ich leide unter der Diskrepanz zwischen dem Wissen, wie es sein könnte und der herrschenden Realität. Mein ureigenstes Lebensproblem ist, dass ich mich mit der gesellschaftlichen Realität nicht abfinden kann und will. Ich will mich nicht lebendig begraben lassen!

Der tagtägliche „gesellschaftliche Kampf“ kostet Kräfte. Meine diversen alten Gebrechen, von denen Du weisst, haben sich wieder einmal gemeldet. Am Neujahrstag ging es mir physisch (und damit verbunden auch psychisch) sehr schlecht. Probleme macht mir zur Zeit vor allem meine Haut (Erbkrankheit). N. zweifelt, ob sich mit der Schulmedizin eine markante Verbesserung herbeiführen lässt. Ich werde deshalb – auf seinen Rat hin – höchstwahrscheinlich einen Alternativmediziner (N. kennt ihn persönlich und hält ihn für eine Kapazität) aufsuchen. Ich hoffe jedoch immer noch, dass ich mich wieder regeneriere, denn von Ärzten halte ich nicht viel. Ich will nicht krank sein und Patient schon gar nicht.
[Anmerkung: Später wird Beeler erkennen, dass die meisten Schul- und Alternativmediziner – bis auf wenige erfreuliche Ausnahmen – nicht allzu viel taugen. Es gibt nur eines: Prophylaxe!]

Eine schöne Insel, saubere Luft, klares Wasser, ein angenehmes Klima, gutes Essen und ein paar hübsche nette Mädchen wären für mich die allerbeste Medizin! Das Problem ist nur: Wo findet man das? [Anmerkung: Beeler sieht, was richtig ist!]

Vielleicht zeigt mir mein derzeit kranker Körper, dass er mit den Lebensumständen hier nicht zufrieden ist und ich eine Änderung herbeiführen soll. Krankheiten muss man ja immer ganzheitlich sehen!

Die (…) will ich so lange weiterführen, bis sie perfekt ist (…). Auch muss ich mich finanziell noch stark verbessern. Für das, was ich bis heute gearbeitet habe, habe ich im Grunde „nichts“ verdient.

Ferner muss ich mich „emotional total emanzipieren“. In Schwyz will ich so lange kämpfen, bis ich sagen kann: „Die Schlacht ist geschlagen.“

Als Lebensziel habe ich ein total freies Leben, frei von emotionalen bzw. ökonomischen Zwängen. Ich möchte das tun, was mir Spass macht, so richtig mit Saus und Braus im Leben eintauchen. [Anmerkung: Genau um das geht es – Spass und Freude haben!]

(…)

Nochmals zurück zur M.-P.: Hier ist das Problem, dass die Ziele, die ich mir gesetzt habe, als Einmann-Betrieb fast nicht zu schaffen sind. Es herrscht eine Diskrepanz zwischen dem, was ich erreichen möchte (und machbar ist) und dem, was ich als Einzelner zu leisten imstande bin. Ich kann mich nie voll auf etwas konzentrieren ohne dass etwas anderes darunter leidet. Widme ich mich voll dem Verkauf, leidet darunter die Redaktion und Produktion. Arbeite ich redaktionell, habe ich ein „schlechtes Gewissen“, weil ich dann im Verkauf fehle. Und die Zeit, die ich redaktionell investiere, zahlt mir niemand. Aber ohne Redaktion geht’s auch nicht…

Ein weiteres Problem ist die psychische Umstellung. Ein guter Verkäufer hat eine total andere Psyche als ein guter Redaktor und ein guter Redaktor hat eine andere Psyche als ein guter Layouter. Bis ich in einer Disziplin etwas auf Touren gekommen bin, kommt bereits die nächste, wo es wieder neu anzufangen gilt usw. So kann ich nirgends die Perfektion erzielen, die ich anstrebe. Umgekehrt hat dieser „Arbeits-Zehnkampf“ aber auch Vorteile. Es gibt immer Abwechslung und man wird neu herausgefordert.

(…)

Zu schaffen macht mir momentan auch, dass ich hier „geistig isoliert“ bin. [Anmerkung: Das wird sich später ändern.] Mir fehlen die Gespräche mit Dir, die Spaziergänge in Brunnen, der Gedankenaustausch. Ich lebe in Schwyz wie ein Mönch in einem Kloster. Ich habe dieses „Mönch-sein“ nicht ungern, aber zwischendurch brauche selbst ich nette Abwechslung, positive Belebung.

Die Leute in Schwyz sind charakterlich so eng, dass es einen krank macht. Ist es in Neuseeland besser?

Als ich mir neulich bei Coiffure Carmen die Haare schneiden liess, lernte ich die zukünftige Braut von A.I. (D.I.) kennen. T. ist – welch‘ Zufall! – Neuseeländerin. Und stell‘ Dir vor: Ihr gefällt es in der Schweiz! Sie findet die Leute nett und hat sich entschlossen, hier zu bleiben! (…)

Ich fragte T., ob die Leute in Neuseeland nicht viel freundlicher seien als hier in der Schweiz. Sie antwortete mit „Nein“ (!). Neuseeland sei von der Fläche her einfach grösser, es sei alles viel billiger (vor allem die Häuser), aber sonst sei alles wie in der Schweiz. Neuseeländische Städte z.B. seien gleich anonym wie Luzern (mit Luzern kann sie übrigens auch nichts anfangen).

Ich lotete dann T.1 Stunde lang aus. Nach 60 Minuten wusste ich, dass sie von der Mentalität her nicht sehr verschieden von der junger Schweizer Frauen ist!

Natürlich kann ich nicht von diesem Einzelfall auf die Mehrheit der Neuseeländer(innen) schliessen. Aber wenn T. repräsentativ für den Rest der Kiwis ist…

Ich bin wirklich gespannt, was Du mit Deiner analytischen Begabung nach einem Jahr Neuseeland für Erkenntnisse gesammelt hast. Denn ich kenne niemanden, der sich ein objektiveres Urteil über etwas bilden kann. Du besitzt die grosse Fähigkeit, eine Sache mit wenigen Worten absolut präzise und im Kern zu treffen. Deine Werturteile sind erstklassig.

Viele Grüsse (auch an Jörg und Karin)
Urs

Nachtrag:

Die Luft draussen ist schlecht – wie meistens. Ich werde also meine „Umwelt-Aktivitäten“ auch in diesem Jahr rigoros weiterführen müssen. Problem ist leider, dass diese Arbeit von den Leuten nicht honoriert wird. Im Gegenteil: Ich hatte 2/3 (!) weniger Abo-Einzahlungen. Aber diesbezüglich denke ich an Deine Mutter, die höchstwahrscheinlich sagen würde: „Ach, was soll’s…“

In der Oktober- und November-Ausgabe der M.-P. brachte ich Fakten über den Schadstoff-Ausstoss von Holzfeuerungen. Dies kam bei manchen Leuten gar nicht gut an. Ein Herr van Gameren von der Holzfeuerungsfirma Unical aus dem Kanton (wenn ich mich richtig erinnere) Thurgau drehte fast durch. Es gab auch Post von anderen frustrierten Holzfeuerungs-Herstellern. Und praktisch alle Hafner der Region boykottieren mich jetzt. Mir ist das jedoch egal. Die Wahrheit ist wichtiger als das Geld dieser „Bekloppten“…

Apropos Geld: Meine Investition in 3’000 „Woolworth“-Aktien hat sich als Riesenflopp (!) herausgestellt. „Selber schuld!“ würde hier jemand treffend sagen. Und ich bin tatsächlich selber schuld. Ich hätte die Chance gehabt, selbst die ersten 1000, die ich für (aus heutiger Sicht teuren) Fr. 20.25 kaufte, mit Gewinn zu verkaufen. Aber ich wollte mehr… Die ersten 1’000 kaufte ich für $ 15.75. Der Kurs stieg dann auf $ 19.375. Als der Preis für diese Wertpapiere wieder sank, erwarb ich nochmals 1’000 Stück für $ 16.00 (Fr. 18.25). Ich dachte, dass bald der nächste Höhenflug folgen werde. Dem war aber nicht so. Bei $ 15.25 kaufte ich die dritte Tranche für umgerechnet Fr. 17.50. Es war zu der Zeit praktisch der absolut günstigste Kurs. So hatte ich Ende April ’95 Woolworth-Aktien im Depot-Wert von über Fr. 55’000.–.

Im Nachhinein kann man sich fragen, wieso ich den grössten Teil meines Vermögens so einseitig anlegte. Darauf gab/gibt es jedoch plausible Antworten: Woolworth-Aktien wiesen in den vergangenen Jahren eine relativ hohe Rendite von 4% auf. Dass nach über 90 Jahren keine Dividende mehr ausgeschüttet wird, konnte ich nicht ahnen, zumal ja der Kurs nach bzw. trotz dieser Hiobsbotschaft noch auf $ 19.375 (Höchstwert 1995) kletterte. Und selbst im schlechtesten Geschäftsjahr (1993?) wurde trotz Verlust eine Dividende ausgeschüttet! Nachdem die Aktien mehrheitlich zwischen 15 und 16 Dollar pendelten, sanken sie plötzlich auf $ 12.75, erholten sie dann wieder und stiegen im Herbst ’95 auf $ 16.75. Ein oder zwei Tage nach diesem Herbsthoch wollte ich 2’000 Stück zum Preis von (wenn ich mich richtig erinnere) ca. Fr. 19.- verkaufen. Dies hätte an diesem Tag auch funktioniert, hätte die KB meinen Fax-Auftrag sofort weitergeleitet! Weil der Fax „liegenblieb“ und Herr Tanner ihn ca. 1/2 Std. zu spät auf dem Tisch hatte, klappte der Deal nicht. Folge. Es trat ein, was ich bloss mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1000 für möglich hielt. Der Kurs sank kontinuierlich auf 10-Jahrestiefst, d.h. nicht einmal 11 Dollar! Ärgerlich! (…) Da habe ich mich wirklich tüchtig verspekuliert!

Ich hatte damit gerechnet, Woolworth hätte die Talsohle erreicht und der Kurs würde sich im Laufe eines Jahres auf ungefähr 20-25 Dollar entwickeln. Das Verrückte ist, dass im selben Zeitraum praktisch jede andere amerikanische Aktie mindestens 10-20% (oder weit mehr) zulegte! „Sie hätten halt nicht in Konsum-Aktien investieren sollen“, könnte im Nachhinein jemand sagen. Dazu folgendes: Sears, eine andere Aktie aus dem Konsumbereich, legte im selben Zeitraum tüchtig zu. Warum Woolworth nicht? Und wenn eine Firma wie Woolworth in der Krise steckt, magere Erträge liefert und die Aktien entsprechend tief bewertet werden, dann – so meine ich – kann es doch nur noch aufwärts gehen. Man kann doch nicht über längere Zeit mit über 8’000 Läden einen mageren Gewinn bzw. Verluste erwirtschaften. Das wäre (ist) doch kaufmännisch völlig absurd! Wenn Woolworth von selbst nicht mehr auf die Beine kommen sollte, dann müsste die Firma notgedrungen von jemandem „geschluckt“ werden. Damit dies möglich ist, müsste ein höherer Kurs bezahlt werden, was den Wert der Aktie steige liesse.

Im Technologie-Bereich sind extreme Kursschwankungen normal, weil ein viel höheres Risiko vorhanden ist. Dass gerade eine als relativ sicher geltende Konsumaktie einen solchen Kurssturz erfährt, ist aussergewöhnlich. (Im Jahre 1994 war der Höchstwert Fr. 38.-, jetzt nicht einmal Fr. 14.-! Mit dem Abschreiber hätte ich den Occ.-Zwölfzylinder-BMW von Vater Engelbrecht kaufen können…)

Vielleicht ist die Aktie momentan einfach sehr unattraktiv. Aber warum wird sie so günstig verkauft? Jeder, der sie für 11 Dollar verkauft, legt ja drauf!

Die Prognosen von „Value line“ rechnen für den Zeitraum zwischen 1998 und 2000 mit einem Kurs von $ 17.- (Minimum) und $ 25.- (Maximum) für Woolworth. Was rätst Du, Bert? Behalten?

Etwas beschäftigen tut mich dieser saftige buchhalterische Abschreiber schon. Aber es ist ja nur Geld. Die Gesundheit (vor allem meiner Mutter) ist viel wichtiger.

[Anmerkung: Man hätte 1995/96 in Hightech-Aktien investieren sollen, nur wusste dies im Vornherein niemand! Und die Gesundheit der liebsten Nahestehenden ist tatsächlich wichtiger!]

Nachträglich herzliche Gratulation zu Deinem neuen Auto! Zu Deiner Frage, was ein Toyota RAV4 in der Schweiz kostet: Wenn ich mich richtig erinnere, ist die günstigste Version für knapp Fr. 30’000.– zu haben. Ich werde bei Gelegenheit xy nach dem genauen Preis Deiner Version fragen.

Betr. meiner Peugeot-Bestellung hatte ich im Nachhinein Zweifel. Mal schauen. Wenn’s eine zu extreme „Klotter-Kiste“ sein wird (meine spontane Phantasie: Ich hole Vater Engelbrecht mit dem Peugeot vom Flughafen Kloten ab…), werde ich wieder auf Nissan retoursteigen. Nach dem geschilderten „Woolworth-Debakel“ kommt’s auf ein paar Tausender mehr oder weniger auch nicht mehr an…

Liebe Grüsse
Urs

 

Schwyz, den 27.1.96

 

Lieber Bert

Vielen Dank für Dein Fax vom 21.1.96. Genau an jenem Sonntag hatte Ste übrigens noch Geburtstag. Er wurde 18 (!) Jahre alt. Ich schenkte ihm zu diesem speziellen Anlass einen dunkelblauen, „coolen“ Dodge Viper Jg. 96 (Rennfahrzeug – natürlich nur als Metall-Modell…). Er freute sich sehr und bezeichnete den Dodge Viper (auf „Züridütsch“) als „gäches Auto“. Auch Bert’s weisser Alpine und mein Renault 5 GT Turbo seien „gäche“ Fahrzeuge gewesen…

Demnächst will Ste die ersten Fahrstunden nehmen. Er pochte bereits darauf, mit dem Saab Turbo autofahren zu lernen. „Das kommt nicht in Frage“, war P. (verständliche) Antwort.

Was gibt es sonst noch zu berichten? (…) F.S. aus Seewen will mir neu beim Verkauf helfen. Ich setze grosse Erwartungen in ihn. Er kennt sehr viele Gewerbetreibende, hat ein gutes Auftreten und besitzt auch den „Biss“, den es im Verkauf braucht. Peter Abegg und Louis Burch sind der Auffassung, dass wir ein „Super-Team“ im Verkauf sein würden. Mal schauen.

(…)

Ich bin gespannt, wie das ungleiche Duo „Idealist Beeler“ und „erfolgsorientierter Geschäftsmann S.“ harmonieren wird. (…)

Zu den Aktien: „Woolworth“ sank sogar unter 10 $. Mittlerweile sind sie wieder bei 11 1/4 $. Schwere Überschwemmungen, ein massiver Kälteeinbruch und ein schlechtes Weihnachtsgeschäft drückten wohl auf den Kurs. Wenn die äusseren Bedingungen wieder i.O. sind und die Geschäftsergebnisse stimmen, müsste sich dieser Titel – so meine ich – erholen. (Als das Erdbeben in Kobe war, litt z.B. „Sony“ unter starken Kursverlusten. Mittlerweile ist der Kurs wieder markant höher.)

Ich werde die Woolworth-Aktien – wie Du geraten hast – behalten. Es sollen weitere Zinssenkungen in den USA bevorstehen, welche sich auf den Kurs günstig auswirken müssten. Weiter spricht man von einer anziehenden Konjunktur in den USA für 1996. Positiv ist ferner, dass der Dollar in den vergangenen Tagen mächtig an Terrain gut gemacht hat und mittlerweile bei über Fr. 1.20 ist.

Auch der Goldpreis zog an. Der Unzenpreis stieg z.T. auf über 405 $. Leider habe ich keine Gold-Aktien mehr. (Hätte ich die 1’000 praktisch zum Jahrestiefstpreis 1995 gekauften Echo Bay behalten, könnte ich jetzt 40% Gewinn verbuchen…)

Viele Grüsse (auch an Deine Eltern)
Urs

 

Schwyz, den 11.3.96

 

Lieber Bert

Herzlichen Dank für Deine Faxs vom 12.2. und 19.2. Entschuldige, dass Du nicht sofort von mir etwas gehört hast. Aber es ist in den vergangenen Wochen einiges los gewesen.

Mein Wohnungsnachbar W.F. wurde von seiner Tochter und seinem Schwiegersohn ins Altersheim abgeschoben. Der alte Mann wollte eigentlich gar nicht ausziehen. Ich legte ihm deshalb nahe, sich zur Wehr zu setzen. Doch das wollte er nicht. Jetzt ist er im Altersheim. „Selber schuld!“, könnte hier Dein Vater sagen…

Mir tat F. einerseits leid. Er hatte beim Abschied Tränen in den Augen und meinte, es wäre besser, wenn er schon tot wäre. Umgekehrt hätte er halt für seine Unabhängigkeit kämpfen müssen. [Anmerkung: Leider ist dies in unserem System leichter gesagt als getan. Die Tochter und der Schwiegersohn hätten bloss behaupten müssen, dass F. geistig nicht mehr ganz fit sei. Was für eine „frohe Botschaft“ für die Schwyzer Vormundschaftsbehörde – oder später KESB, deren höchste Aufgabe es war bzw. ist, gesundheitlich angeschlagenen Leuten noch den Rest zu geben! Wie ekeln mir diese kranken behördlichen Schreibtischtäter!]

Die vergangene Fasnacht war „doof“ (sie wird allgemein von Jahr zu Jahr dümmer). Es ist auch gar keine echte Schwyzer Fasnacht mehr, sondern sie wird je länger je mehr von luzernischen Elementen beeinflusst. Als ich die Rhythmen diverser Guggenmusiken hörte, dachte ich mir: „Das hat nicht mehr mit fasnächtlicher Heiterkeit zu tun, sondern das ist kollektive Onanie.“ [Anmerkung: Dass die Fasnacht in Schwyz „immer dümmer“ wird, hat sich zum Glück – ausser z.T. immer noch betr. der GDG – bewahrheitet. Auch das „Guggenmusik-Problem“ hat sich gemildert.]

Vorgestern ist noch P. zu Besuch gekommen. (Ich war froh, als er bald wieder ging.) Ich habe das Gefühl, dass er auf mich im Innersten neidisch ist. So hat er z.B. gesagt, ich solle doch mit der (…) aufhören, ich würde es quasi sowieso zu nichts bringen.

Ich weiss nicht, ob er es nur als „Witz“ gemeint hat. Jedenfalls glaube ich, dass er das nur gesagt hat, weil er nach wie vor (bewusst oder unbewusst) meinen Drang zur Unabhängigkeit nicht erträgt. [Anmerkung: Genau das ist das Problem beim Bruder von Urs Beeler.] Seiner Meinung nach müssten sich alle „anpassen“. Bei diesem Gedanken wird mir kotzübel.

Wenn P. nicht den Mut und die Kraft besitzt, ein eigenständiges, freies Leben zu führen, dann soll er mich doch wenigstens mit seinen „Anpassungstheorien“ verschonen. Seine Gegenwart ist für mich (ausser wenn er zufällig einmal positiv gestimmt ist) unerträglich. Sein enges Weltbild und seine überspielten Frustrationen… schrecklich!

Sicher kannst Du Dich noch an den schönen grossen Baum neben dem Benziger-Haus erinnern. Dieser stolze Baum wurde kürzlich gefällt. Ich fand es schade, denn mir gefiel er sehr. Offenbar muss er mit seinen 111 Jahren aber doch schon recht altersschwach gewesen sein. [Anmerkung: War dies tatsächlich der Fall oder ärgerte man sich vielleicht über das (zu) viele Laub und die damit verbundene Arbeit? Oder wollte man einfach mehr Sicht?] Ich glaube nicht, dass man ihn sonst gefällt hätte, allein schon wegen den Kosten. Arbeiter der Oberallmeind Kooperation sind bereits seit 14 Tagen an der Arbeit. Mit einer grossen Transportmaschine wurden die Wurzeln abgeholt. Am vergangenen Wochenende pilgerten Gülis von überall her zum Benziger-Haus, um die Überreste (Riesendurchmesser des Stammes!) des „Mammut-Baums“ („Bote“-Bezeichnung) zu besichtigen.

Der Peugeot 306 XR ist mittlerweile eingetroffen. Schon vor Wochen hätte ich den Wagen einlösen können. Zusammen mit W. machte ich eine kurze Probefahrt. Das Fahrwerk macht einen sehr guten Eindruck. Die montierten Michelin Alpin Winterreifen harmonieren ausgezeichnet. Selbst Klapper- und Quietschgeräusche fehlen (fast) gänzlich. Ein grosses Fragezeichen mache ich jedoch bezüglich dem Motor. Man muss ihn ziemlich hochdrehen, damit man mit dem 1 Tonnen schweren Wagen etwas vorankommt. Entsprechend laut (und aufdringlich) ist die Geräuschkulisse. Auch die Farbe Hellrot passt mir nicht (dieselbe Farbe wie der 306 von H… grrrr). Nicht zu vergessen ist der typische Peugeot-Neuwagengeruch.

Nach dieser ersten Probefahrt hatte ich ein ungutes Gefühl. 100 leise (Turbo)PS mehr und ein dunkleres Rot, dann wäre der Wagen i.O.

Was soll ich tun? Das Peugeot-Fahrwerk ist in dieser Kategorie erstklassig. Übrigens auch der Sitzkomfort. „Mein“ 306 ist ähnlich zu fahren wie ein Citroën Xantia.

Umgekehrt ist der Micra für meinen Rücken und meinen Nacken eine Zumutung. Solange man Bleifuss fährt, geht’s. Aber wenn man bei winterlichen Verhältnissen längere Zeit mit 30 oder 40 km/h fahren muss, wird’s unerträglich.

Der Micra ist mittlerweile gut eingefahren. Auf 90 km/h (Tachoanzeige) im 2. Gang kann man ihn locker hochdrehen (Er fängt dann an, Nissan-typisch zu „singen“). Aber mit den mageren 75 PS und dem starken Untersteuern und kuriosem „Hüpfen“ bei Lastwechseln kommt nur mässig Spass auf.

Gibt’s eine Alternative? Am besten hätte ich wohl einen roten Peugeot 106 mit 1,1 Liter-Motor (wie der grüne damals) im Jahre 1993 eingelagert. (Die 95er Version ist keine Alternative. Du weisst, wie „schitter“ der war… Garage I. in Cham…)

Opel, Ford und VW usw. kann ich sowieso vergessen.

(…)

Mich gurkt es einfach an, dass ich keine optimale Lösung finde. Auch W. ist frustriert. Neulich sagte er: „Die ganze Hochzeitsgesellschaft ist parat, die ‚Braut‘ steht in schönster Aufmachung bereit, nur der Bräutigam will nicht…“ (W. kann nicht verstehen, dass mir der 306 nicht gefällt.)

Für den 306 habe ich bereits zwei Inserate in der „AR“ aufgegeben. Leider bisher ohne Erfolg, obwohl das Auto neu ist und ich es Fr. 4’000.– unter dem Katalogpreis anbiete! (…)

Was gibt’s sonst zu berichten? F.S. besitzt eine ganz andere Mentalität als ich und zieht auch total andere Kunden an. Er betrachtet mich als „Grünen“ und hat grosse Mühe, meine Gedanken betr. Umweltschutz zu billigen. Dies führt selbstverständlich zu Spannungen. F. meint, ein „Grüner“ könne nie wirtschaftlichen Erfolg haben, sondern stosse beim Gewerbe immer auf Ablehnung. [Anmerkung: Leider denken viele Gewerbler tatsächlich so!] Ich sage ihm dann jeweils, dass „das Gewerbe“ eben umdenken lernen müsse.

Erstaunlicherweise arbeiten wir aber immer noch zusammen und ich darf sagen, dass F. seine Arbeit sehr gut macht. Das ist – rein materiell gedacht – die Hauptsache!

Der Tod von A.S. hat mich überrascht. An die Selbstmord-Version kann ich fast nicht glauben (Rolf Eichhorn vom Creative Service übrigens auch nicht). Natürlich können psychische Veränderungen bei einer Person auftreten, die vom gewohnten Verhalten des betr. Menschen abweichen. Aber bei Herr S.?

Tragisch ist das ganze natürlich für seine Familie, vor allem die Kinder.

L.B. von der Abegg Bürotechnik AG sagte kürzlich, er habe Dir einen Fax geschickt, aber noch keine Antwort erhalten. Er bittet Dich um eine kurze Nachricht.

Die Woolworth-Aktien sind, nachdem sie kurzzeitig auf $ 15.125 geklettert sind, wieder gefallen. Es gilt weiterhin: warten.

Spezielle Gratulation zum Kauf Eures Herrenhauses! In Neuseeland tut sich etwas und ich glaube, dass Dir, Jörg etc. all diese positiven Veränderungen gut tun. Ob Neuseeland auch etwas für mich wäre? Kürzlich kam eine Sendung mit Sandra Studer zum Thema „Traumziel Neuseeland“. Sehr schöne Landschaften wurden gezeigt. Aber ob ich mich dort wohlfühlen würde? Ich weiss es nicht. Ich bin mit dem Schwyzer Boden einfach stark verwurzelt. Auch habe ich das Gefühl, dass es mein Job ist, mich hier zuerst zu bewähren.

Positiv ist, dass es hier langsam Frühling wird. Vorgestern abend herrschte Vor-Frühlingsstimmung. Irgend etwas lag in der Luft, dass mich „libidinös“, in „U.-W.-Stimmung“ versetzte. Man merkt auch an den jungen Motorrad- und Autofahrern, dass es allmählich Frühling wird… (Erinnere Dich an den Peugeot 205 GTI-Fahrer, der eines Abends mit rasantem Tempo – an der Flab vorbei – die Gersauerstrasse in Richtung Brunnen fuhr. Oder an den typischen hochdrehenden Motorensound beim kleinen Axentunnel, wenn brünstige Jünglinge in Richtung Urnerland fahren…) [Anmerkung: Ja, das ist wirklich sehr treffend geschildert!]

(…) Eine hübsche Schweizerin kam kürzlich im Fernsehen: G.K.; sie ist 23jährig, eine begabte (…) und trotz ihrem Image als „(…)“ bescheiden. Was mir besonders gefällt, ist ihr Gesicht mit den dunklen Augen. [Beeler machte mit ihr dann – Tatsache! – im November in Brunnen ab.]

Das Aussehen einer Frau ist das eine, der Charakter das andere. Beides in einer Frau vereint zu finden und noch ihrer Zuneigung gewiss sein zu können, wäre ein ausgesprochener Glücksfall. [Anmerkung: Gut nachgedacht!]

Wie sind die Neuseeländerinnen? Hübsch? Nett? Weltoffen? Können sie gut kochen? Wenn das jemand ganz objektiv feststellen kann, dann bist das Du, mein lieber Bert! Ich bin gespannt auf Deine Nachricht!

Ich nehme an, dass Dein Vater wegen der T. demnächst einmal in die Schweiz reisen wird. Falls er einen Chauffeur braucht, stelle ich mich selbstverständlich gerne zur Verfügung. (Ich höre ihn jetzt schon nach seiner Ankunft in Neuseeland zu Deiner Mutter sagen: „Von Christchurch nach Zürich zu fliegen – 20’000 km – ging locker, aber nachher mit Urs von Kloten nach Schwyz zu fahren – Mensch, das war vielleicht mühsam…!“)

Herzliche Grüsse
Urs

 

Schwyz, den 8.4.96

 

Lieber Bert

Nachträglich vielen herzlichen Dank für Deine Faxs. Entschuldige, dass Du wieder lang warten musstest. Aber ich hatte in den vergangenen Wochen sehr viel zu tun. Vor vierzehn Tagen wurde ich auch noch krank. Wieder einmal ein typischer Infekt mit gelb-grünem Auswurf. Glücklicherweise nicht allzu schlimm. Trotz 38° C Fieber schuftete ich wie der alte Kari Eichhorn selig. Zu N. konnte ich nicht gehen, da dieser Unfall hat. Wie es heisst, habe er sich beim Skifahren u.a. an der Schulter verletzt und dürfte die Arbeit in seiner Praxis erst ca. mitte Mai wieder aufnehmen können.

Während ich glimpflich davon kam, packte meine Mutter ein schwerer Infekt. Sie hätte schon lange vorher zum Arzt gehen sollen, wartete aber den offiziellen Termin beim Lungenarzt Dr. F. in Luzern ab. So schlimm hatte es sie in all den Jahren noch nie erwischt. Alle Medikamente nützten nichts mehr – sie bekam kaum noch Atem. Da ein normales Spital ihr nicht helfen kann, fuhr ich sie auf Geheiss von Dr. F. in die „Höhenklinik Ad.“ in U. Du hättest dabei sein sollen! Meine Mutter mit schwerer Atemnot, graues Wetter mit Regen/teils Schnee – und dann dieses „Ad.“! Meine Güte! Mich warf es fast aus den Schuhen! Du kannst Dir nicht vorstellen, was das für eine Bruchbude ist! Ich wollte sofort wieder gehen, aber Mutter war dermassen gesundheitlich am Anschlag, dass es wohl oder übel nichts anderes gab als dort zu bleiben.

„Ad.“ ist baulich eine Mischung zwischen rumänischem Kinderheim und der alten Irrenanstalt Burghölzli in Zürich. Fürchterlich! Von der Küche stinkt’s hinauf bis in die Zimmer! Und was für Zimmer! Man kommt sich darin vor wie in einem Spital in der Ukraine oder in einem Drittweltland. Alte Schwestern verkehren in den Gängen. Die Atmosphäre ist – aus meiner Sicht – grauenhaft.

Da es Mutter verboten ist, Treppen zu steigen, muss sie mit dem Lift fahren. „Lift“ würde ich dem Gerät jedoch nicht sagen, sondern eher Warenaufzug.

Das „Ad.“ hat von aussen viel Ähnlichkeit mit dem „Mythenstein“ (Gebäude nach dem Beach-Club) in Brunnen, dort wo Pauli E. jeweils bis in die Nacht an Autos bastelte. (…)

Unterhalb des „Ad.“ entsteht glücklicherweise eine neue Klinik. Nachteil: Oben hat man jetzt allen Lärm – und auch Staub.

Erstens sich in einer absoluten Bruchbude aufhalten und zweitens noch Baustellenlärm ertragen zu müssen, fand ich zuviel. Ich rief deshalb am vergangenen Donnerstagmittag sofort N. privat an und erkundigte mich, ob es nicht Alternativen zu dieser „Klinik“ gebe. Er riet mir abzuwarten, zumal er Dr. S. vom „Ad.“ persönlich kenne und dieser „ein sehr guter Lungenspezialist“ sei.

Mutter selbst meint, dass sie im „Ad.“ medizinisch gut aufgehoben sei. Ich hingegen bekomme Depressionen, wenn ich diese „Klinik“ nur schon von aussen sehe…

Ich hoffe jetzt inständig, dass man in U. meiner Mutter helfen kann. Dass sie jetzt in einer Spezialklinik ist, ist sicher richtig. Die Leute haben viel mehr Erfahrung. (Im Spital S. hätte man sie wohl ohnehin nur wieder mit falschen Medikamenten und „Überdosis“ behandelt).

Gestern, den 7. April, feierte Mutter ihren 70. Geburtstag.

Nochmals zum Thema P. Ich glaube, dass er nur durch Anpassung, durch Arschkriecherei in der Hierarchie nach oben gekommen ist. Im Grund genommen kann es mir ja egal sein, was er treibt. Das Problem ist nur, dass er sich neuerdings wieder in Familienangelegenheiten einmischt. Grund dafür war der 70. Geburtstag meiner Mutter. Obwohl die Geschwister Beeler alles andere als ein harmonisches Verhältnis untereinander haben, kam dieses P.-Anpassungsarschloch vor einigen Wochen auf die Idee, ein „Familienfest“ zu organisieren. Als ich die schriftliche Einladung bekam, lüpfte es mir den Deckel… (Es könnte sogar sein, dass diese ganze Heuchelei meine Mutter so stark belastet hat, dass sie deswegen krank geworden ist.)

Die Idee an sich, den 70. Geburtstag unserer lieben Mutter zu feiern, wäre ja gut und recht gewesen. Aber dann müsste es ehrlich sein und von Herzen kommen. P. sollte der „festliche Anlass“ jedoch nur als Vorwand dienen, wieder einmal alle an einen Tisch zu kriegen und ein „taktisches Spielchen“ zu spielen. Anlässlich eines Telefongesprächs mit ihm, wo ich ihm meine Absage mitteilte, kam der Schwindel zum Vorschein.

Wenn ich an der Geburtstagsfeier nicht mitmachen würde, müsste ich dafür die „Konsequenzen“ später selber tragen, drohte mir P. [Anmerkung: „Bruderliebe“ eines Managers…] Dieser Satz hat mir den Charakter meines Bruders wieder einmal sehr deutlich vor Augen geführt. Dass es bezüglich unseres Hauses eines Tages einmal ein Riesentheater geben wird, ist heute schon vorauszusehen. [Anmerkung: Dass dies später nicht geschah, ist einzig und allein Beelers Mutter zu verdanken.] Die einzige Hoffnung, die ich habe, ist, dass Mutter – trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit – 100 Jahre alt wird.

Was mich am meisten an P. ärgert, ist seine Wankelmütigkeit. Alle paar Jahre gibt es mit ihm eine Begegnung, wo man glaubt: „P. meint es gut. Er ist ein umgänglicher Typ.“ Jedesmal jedoch – seit Jahren! – mache ich die Erfahrung, dass sein Wort nichts gilt. [Anmerkung: Das wird sich auch im Jahre 2003 bestätigen, als P. seinen Bruder Urs hängen lässt, obwohl er ihm noch im September 2002 versprochen hat, im finanziellen Notfall zu helfen!] Er wechselt seine Meinungen wie Unterhosen. Dass ich derartige (…) Charaktere zutiefst hasse/verachte, muss ich kaum ausführen.

Die familiäre Situation ist für meine Mutter, die wirklich immer nur für alle das Beste will, nicht einfach. [Anmerkung: Dass Beelers Mutter tatsächlich für alle immer das Beste will, stimmt.]

Was gibt es sonst zu berichten? Zwei Pakete Woolworth-Aktien à je 1’000 Titeln habe ich am 15. und 19.3.96 mit kleinem Gewinn verkauft. Gott sei Dank! Übrig geblieben sind jetzt immer noch 1’000 Stück, die ich seinerzeit (am 15.2.96) für Fr. 20.25 ($ 15.75) erwarb (Damals war der Dollar – wenn ich mich recht entsinne – bei Fr. 1.28). Eine Woolworth-Aktie wird jetzt um Fr. 18.- gehandelt.

Woolworth erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Verlust von 164 Mio. Dollar bei einem praktisch unveränderten Umsatz von 8,22 (1994: 8,24) Mrd. $. Erstaunlich aber ist es schon, dass diese Aktien von 9,375 innerhalb von wenigen Wochen auf 16 $ gestiegen sind. Man hätte hier eine schöne Stange Geld verdienen können! „Woolworth“ hat mich jedoch folgendes gelernt: Besser als hohe risikoreiche Gewinne zu erwirtschaften ist es, massive Verluste zu vermeiden! [Anmerkung: Wie wahr!]

Als Woolworth-Papiere um 10$ gehandelt wurden, bekam ich langsam weiche Knie…

Da laut Prognosen der Konsum in den USA in absehbarer Zeit wachsen sollte, behalte ich die letzten 1’000 Woolworth-Aktien noch so lange, bis ich sie zum Preis von Fr. 20.75 verkaufen kann. Mit Verlust zu verkaufen, betrachte ich nicht als sinnvoll, zumal ich momentan nichts sehe, wo sich zu investieren lohnt. Die amerikanische Börse macht mir einen „überkauften“ Eindruck. [Anmerkung: Diesen Eindruck hatte man damals tatsächlich, aber sie stieg und stieg weiter…]

(…)

Bezüglich M.-P.: Das Geschäft läuft harzig. F.S. ist inzwischen bereits abgesprungen, weil er meine umweltpolitischen Ansichten und die Tatsache, dass ich exponiert bin, „nicht verkraftet“. Der Bruch war vorauszusehen. Ich kann nur mit jemandem zusammenarbeiten, der 100%ig loyal ist.

Den Peugeot 306 habe ich – trotz Inserierung in der AR – leider noch nicht verkaufen können. Ich muss jetzt alle Hebel in Bewegung setzen.

Vor einiger Zeit bin ich den Renault Mégane probegefahren. Nichts für mich! Ein lauter Motor wie beim Peugeot, viel zu dunkel getönte Scheiben, zu flache Frontscheibe, schlechte Übersichtlichkeit, zu hartes Fahrwerk, zu kitschiges Interieur etc.

Auto H. zügelt diesen Sommer oder Herbst von der uv an die B. nach xy. Und nun die Überraschung: Die Peugeot-Markenvertretung wurde aufgegeben und Auto H. ist neu Citroën-Regionalvertreter! W. ist happy – und macht dementsprechend einen sehr motivierten Eindruck! (…) Citroën ist ja der einzige Automobilhersteller in Europa, der noch einigermassen vernünftige Fahrwerke baut. (…) [Anmerkung: Die Euphorie wird bei den neuen Citroën-Modellen rasch verfliegen. Auch die „Beziehung“ zu Auto H., die später eine überflüssige, aber gesundheitsschädigende Raumbeduftungsanlage in ihrem Ausstellungsraum/Büro installiert, verfliegt. Der verteilte Duft-Gestank ist so penetrant, dass man nach einem Besuch seine Kleider mit OMO Sensitive waschen muss.]

Sobald es möglich ist, werde ich den neuen Citroën Saxo probefahren. Stilistisch ist es kein besonders gelungener Wurf. Das Auto sieht nach „Mischmasch“ aus. Wichtig jedoch sind die inneren Werte. Und die sollen nicht schlecht sein. „Auto Motor und Sport“ hat den Saxo jedenfalls in allen Bereichen (Komfort, Fahrleistungen, Fahrwerk, Sicherheit, Umwelt usw.) mit 4 von 5 Sternen ausgezeichnet und vor allem das Fahrwerk gelobt. [Anmerkung: Der Saxo entpuppte sich als triste Klotterkiste – da sieht man, wie die Automobilpresse lügt!]

Die vergangenen Wochen war es immer noch reichlich kalt. Vom Frühling hat man noch nicht so viel gespürt. Gestern – Ostersonntag – war’s schön, und ich hätte mit Dir gerne einen Ausflug nach Brunnen oder Weggis unternommen.

Kürzlich habe ich geträumt, dass Du im Sommer mit Deinem Vater in die Schweiz kommst (Vater Engelbrecht musste noch einige Dinge in Deutschland erledigen). Du selbst warst von Neuseeland nicht mehr so begeistert. Ist da was dran? Wirst Du kommen? (Vielleicht war es auch einfach ein Wunschtraum von mir, dass Du wieder in die Schweiz kommst. Ich weiss es nicht.)

Ich habe auch schon davon geträumt, ich würde Dich in Neuseeland besuchen, mich dort aber gar nicht heimisch fühlen und froh sein, wieder in die Schweiz zurückkehren zu können.

Tagsüber komme ich immer wieder zum Schluss, dass die Schweiz kein Traumland ist. (…) Was besonders schlimm ist, ist der schleichende Zerfall unserer Demokratie. Die Schweiz bringt es zwar fertig, sich gegen aussen als „sauberes Land“ zu präsentieren. In Wirklichkeit verludert hier der Staat mehr und mehr. In Politik, Verwaltung, Justiz, Behörden hält die Korruption Einzug. [Anmerkung: Sie war schon früher da…]

Ich hoffe, dass es Dir in Neuseeland gut geht und bin gespannt, was Du Neues zu berichten hast.

Viele liebe Grüsse
Urs

 

 

PS: Bitte beachte, dass die Tel.- und Fax-Nr. geändert hat. Statt die Vorwahl 043 neu 041 und statt 21 neu 811.

 

Schwyz, den 24.4.96

 

Lieber Bert

Herzliche Gratulation zu Deinem Geburtstag! Wie in den vergangenen Jahren möchte ich diesen Anlass auch heuer durch die Melodie von Udo Jürgens musikalisch unterstreichen: „Mit vierundreissig Jahren, da fängt das Leben an, mit vierundreissig Jahren, da hat man Spass daran, mit vierundreissig Jahren… ist noch lange nicht Schluss…“

Bei der letzten Zeile höre ich in meiner Phantasie immer Deinen Vater dazwischenrufen: „Mensch, Ihr Opas… mit vierundreissig Jahren…!“

Jetzt hast Du ein schönes Haus, ein Auto, ein Musikzimmer usw. – bald kommt noch eine hübsche Freundin hinzu, die aussieht, wie einst die junge Grace Kelly in der Blüte ihrer Schönheit. Dann ist das Paradies perfekt…

Meine Mutter hat sich über Deine Geburtstagsgrüsse riesig gefreut. Auch Kinski freute sich sehr. Sie wünschen Dir ebenfalls einen schönen Geburtstag und für die Zukunft das Allerbeste!

Ich bin sehr froh, dass hier endlich Frühling geworden ist. Gestern und vorgestern herrschte herrliche Föhnstimmung. Es stürmte und ich fühlte mich prächtig. Immer, wenn diese berauschende Föhnstimmung ist, lebe ich total auf. Es war herrlich, die Farben, die Blumenpracht… – selbst die Luft war erstaunlich gut. Man konnte den Frühling richtig riechen und spüren. Das tut meiner Seele unglaublich gut! [Anmerkung: Genauso ist es!!!]

Wenn das Wetter so super ist, gefällt es mir hier. Denn die Landschaft ist – wenn alles blüht – wunderschön. Nur die Leute, die sind mühsam. Am vergangenen Sonntag fanden Kantonsratswahlen statt. Die CVP machte wieder fast die Hälfte der Sitze. Die Liberalen rund 1/3. Wenn man dann noch sieht, was für Typen gewählt wurden, löscht es einem ab.

Die Woolworth-Aktien habe ich in der Zwischenzeit alle verkauft. Im nachhinein festgestellt, hätte ich die Titel behalten sollen. Denn sie sind mittlerweile bis auf $ 19 5/8 (!) geklettert. Wenn ich die 3’000 Stück behalten hätte, könnte ich heute einen Gewinn von über Fr. 10’000.– verbuchen. Stattdessen verdiente ich nicht einmal Fr. 1’000.–. Wichtig ist mir jedoch, dass ich sie ohne Verlust verkaufen konnte (Das Jahrestiefst war $ 9 3/8 !).

Dass die Woolworth-Titel in so kurzer Zeit auf über $ 19.00 steigen würden, damit rechnete ich nicht. Vor allem hatte ich auch Zweifel, dass sich der Dollar bei 1.23 halten würde. Trotz minimalem Gewinn werte ich die Entscheidung, die Aktien zu verkaufen, als richtig.

Die Kurse in New York (und auch in der Schweiz) scheinen mir zur Zeit an der oberen Grenze zu sein. Ich glaube, es ist besser, mit neuen Käufen zu warten. (Zwar hiess es schon vor einem Jahr bei einem DJ vom 4300, der Markt würde bald kippen – mittlerweile beträgt der DJ, wenn ich mich richtig erinnere, über 5’500 Punkte).

Gestern unterhielt ich mich zufällig in Steinen mit einem älteren (aber sehr vitalen) Pärchen aus Australien, das während sieben Monaten eine Europareise (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Dänemark usw.) absolviert. Es tat richtig gut, sich mit Nicht-Schweizern zu unterhalten. W. und seine Frau stammen ursprünglich aus Schottland und waren vor 20 Jahren nach Australien ausgewandert. Natürlich erzählten sie mir auch von Neuseeland. Es war interessant, ihnen zuzuhören. Sie sind momentan im Hotel Axenfels in Morschach einquartiert und werden wohl demnächst ihre Europareise fortsetzen.

Wirtschaftlich herrscht nach wie vor Stagnation in der Schweiz. Die Leute hocken auf ihrem Geld. [Anmerkung: Das tun sie wohl seit jeher…] (…)

Den Peugeot 306 XR konnte ich trotz diversen Inseraten und einem Preis von Fr. 4’000.– unter dem Katalogpreis immer noch nicht loswerden… Wie sieht’s mit dem Haus in der Allerheiligen aus? Habt Ihr in der Zwischenzeit einen Käufer gefunden?

Louis Burch bittet Dich um eine kurze Fax-Nachricht unter xy betr. Ferienreisen (Er hat mich bereits mehrmals darauf angesprochen.). Ich weiss nicht, ob er interessiert wäre, Neuseeland-Reisen für Dich bzw. Jörg zu verkaufen.

Jetzt im Frühling vermisse ich Deine Anwesenheit sehr. Im Talkessel fehlt einfach ein schneeweisser Renault Alpine Turbo bzw. ein durchtrainierter, schlanker, grossgewachsener Mountain-Bike-Fahrer mit Jeans und grünem Lacoste-T-Shirt, der abends zügig seine Runden um die Rigi oder den Lauerzersee dreht und anschliessend mit mir ein grosses Bier in der „Kleinstadt“ in Brunnen trinkt… dazu Ste mit Mütze, Chrigi (die ehemalige Arzthelferin aus dem Urnerland) mit Mini-Röckchen, Temperaturen um die 30° C, blauer Himmel und und und… [Anmerkung: So ist Beeler…]

Herzliche Grüsse an Deine Eltern, Jörg und Karin… und Dir nochmals einen wunderschönen Geburtstag… and all the best! (Das Englische natürlich gesprochen mit der Stimme meines israelischen Freundes Mr. Becker sen.).

Viele Grüsse
Urs

 

Schwyz, den 17.5.96

 

Lieber Bert

Ich beginne diesen Fax heute Freitagabend, 19.45 Uhr, zu schreiben. Draussen herrscht herrliches Sommerabendwetter! (Du weisst, wie sehr ich diese warmen Sommerabende liebe!) Es ist phantastisch und sowohl Balsam für meinen Körper (herumlaufen nur mit kurzen Hosen) wie auch meinen Geist. Ich kann von diesem schönen Blau des Himmels und dem saftigen Grün der Wiesen, den Blumen, dem warmen Licht nicht genug bekommen. [Anmerkung: Beeler ist ein totaler Ästhet.] Es ist super! Ich erinnere mich an die gemütlichen abendlichen Cardinal-Ausflüge in die „Kleinstadt“ nach Brunnen mit Dir, mein lieber Bert, die freitag- oder samstag-abendlichen Ausflüge mit Edy Brugger während meiner unseligen Kollegizeit, meine sommerabendlichen Ausflüge durch die Stadt Zürich (Niederdorf, Bellevue usw.), als ich 1984 bei Holliger arbeitete usw.

Ich weiss noch gut, wie ich an einem solchen herrlichen Sommerabend Rawia kennenlernte, wir gemeinsam in Zweisamkeit durch die Stadt spazierten. Es war ein herrliches Gefühl, dieses Glück zu empfinden! Ich erinnere mich genau, wie ich an diesem Abend ins Büro (meine Schlafstätte!) an der Weinbergstrasse 102 zurückkehrte, den Schlafsack ausrollte und total glücklich (weil verliebt) war. „Es gibt das vollkommene Glück, es gibt es!“ sagte ich mir und schlief selig ein. Später fragte ich mich, „warum es nicht immer so sein kann“, warum nicht immer dieses Gefühl der Liebe und des Glücks unser Leben bestimmt.

Wenn das Wetter so herrlich ist, empfinde ich einen Hauch dieser Glückseligkeit (vielleicht als eine Art Erinnerung). Dann wünsche ich mir, dass es immer so sein könnte, man doch das Leben in Saus und Braus geniessen könnte. Keine finanziellen oder gesundheitlichen Sorgen, keine Umweltprobleme, keine bösen und dummen Menschen usw. Wie herrlich es doch auf dieser Erde sein könnte! Wir könnten das Paradies haben!

Umso trauriger und manchmal zornig reagiere ich, wenn ich feststelle, dass die heutigen Menschen mehrheitlich das Gegenteil von dem sind, was die Natur an sommerlicher Pracht bietet. Ich rege mich dann entsetzlich auf über diese mehrheitlich total kaputten Leute, die weder das Leben an sich, die Natur, die Tiere noch irgend etwas wirklich lieben können, keinen Bezug zu all diesen Dingen haben. Ich habe mich heute z.B. über F.M. aufgeregt, der nicht imstande ist, seinen sensiblen (Boxer-)Hund zu verstehen. Anstatt auf die Bedürfnisse des Tieres einzugehen, hat er ihn „zusammengeschissen“. Ich habe natürlich einen entsprechenden Kommentar abgegeben, habe dann aber gleich auch gemerkt, dass ich wohl überall auf der Welt als Missionar auftreten müsste, um die Menschen zu bekehren. Wenn F.M. (…), dann ist er einer von Millionen!

Irgendwie kotzt es mich irrsinnig an, in einer solchen „unvollkommenen“ und „schlechten“ Welt leben zu müssen. Ich komme mir jeweils vor wie in einem Kino, in dem ein drittklassiger Film läuft.

Blickt man in die Geschichte zurück, so stellt man fest, dass es schon vor hunderten von Jahren Leute gegeben hat, die gedacht und empfunden haben wie wir. Das Frustrierende ist, dass all diese Männer (und Frauen) es nicht fertig gebracht haben, die Welt im grossen Stil zum Positiven zu verändern. Das Herdenvieh vegetiert weiter vor sich hin wie seit tausenden von Jahren!

Ich selbst, der sich bereits von einigen jämmerlichen Tabus dieser „Kultur“ befreit hat (und noch mehr befreien will!), komme mir hier je länger je mehr vor wie ein Exot. Alles, was die Leute um mich herum denken, ist „Norm“. Ein Schuhmacher ist Schuhmacher und wird es sein Leben lang bleiben, ein Bäcker ist Bäcker und wird es sein Leben lang bleiben, ein Bänkler ist Bänkler und wird es sein Leben lang bleiben, ein Lehrer ist Lehrer und wird es sein Leben lang bleiben – auch wenn sie bei ihrer Arbeit, in ihrer Familie, in ihrem ganzen Leben zu Tode frustriert sind. Bis der Sargdeckel schliesst, passen sich diese Leute total an und wird „auf die Zähne gebissen“. Was ist das nur für ein Leben!? [Anmerkung: Wobei das DEREN ihr Leben ist – wozu sich aufregen?]

Ich arbeite auch, aber nach Monaten des harten „Molochens“ kommt in mir immer wieder der Mensch zum Vorschein, der frei und unabhängig sein will, der einen geistigen 360°-Horizont und keine Tabus fordert, der sich ein Leben an einem schönen Ort in Glück und Harmonie vorstellt, der sich sagt, das Leben hat noch viel zu bieten, man muss nur Ausschau halten nach den Möglichkeiten – auf die träge, dumpfe Herdenmasse pfeifen und sein eigenes Leben in die Hand nehmen, egal, was alle anderen denken!

In meiner Phantasie mache ich mir dann Pläne für die Zukunft, was ich im nächsten Abschnitt meines Lebens werden könnte: Maler, Schriftsteller, Börsianer, Lebemann, Privatier, Filmemacher usw. [Anmerkung: Beeler, der Phantast…]

Eines schönen Tages möchte ich einfach noch in all diese Rollen schlüpfen und diese Leben leben. Voraussetzung dazu jedoch ist – und da sprichst Du in mir – eine genügende finanzielle Basis. Um seinen Lebenstraum (vielleicht) später realisieren zu können, muss man (leider) wohl zuerst Realist sein.

Mein Traum wäre der, finanziell absolut unabhängig zu sein, im Leben einzutauchen, aus Spass irgendwo für ungewisse Zeit zu arbeiten, dann ein bisschen in Europa herumzureisen ohne festen Plan, seine Eindrücke aufzuschreiben, ein schönes (luxuriöses) Vagabundenleben mit ein paar hübschen Blondinen zu führen, aus dem Innersten heraus jeden Tag neu zu leben und immer wieder der inneren Stimme weiter zu folgen und zu schauen, was sich ergibt. [Anmerkung: Schwelgerei und Träumerei…]

Ich hoffe, dass ich Dich mit meinen Gedanken nicht allzu sehr in luftige Höhen führe. Aber ich finde, man muss seinen innersten Träumen und Wünschen freien Lauf lassen können! (So hat es vor über 200 Jahren der tolle Goethe getan.)

Man sollte aus seinem Leben ein Maximum an Sinn und Lust schöpfen, sodass man einst auf dem Sterbebett sagen kann: ich habe alles getan, was ich tun wollte, meine Zeit optimal genutzt; ich habe absolut keinen Nachholbedarf und kann sogar noch glücklich sterben.

Geschäftlich läuft es so lala. Ich habe mich so gut wie möglich angestrengt, aber nicht mehr herausholen können. Auch die anderen („Bote“, „Schwyzer Woche“ und „Innerschweizer Anzeiger“) bekunden Mühe im Verkauf. Ein Problem ist, dass ich an viele Kunden mit meinem Wesen und vor allem meinem Denken nicht herankomme. Sie scheuen mich wie der Teufel das Weihwasser! So muss ich mich manchmal schon fragen, ob ich finanziell mit der M.-P. je auf einen grünen Zweig kommen kann oder ob es nicht einfachere und schnellere Wege gäbe, (viel) Geld zu verdienen. (Vielleicht findest Du ein gutes Produkt z.B. in China, das man hier so richtig in Riesenstückzahlen verkaufen kann….)

 

(Fortsetzung) 18.5.96, 16.30 Uhr

Momentan befinde ich mich wieder einmal in einer Phase der geistigen Neuorientierung. Zwar möchte ich Sicherheit (das Begonnene bis zum Erfolg fortsetzen), gleichzeitig aber auch (…) Neues wagen. Ist das in der heutigen Zeit noch möglich?

Die Welt ist sehr klein geworden, die Märkte sind bis in die hintersten Ecken analysiert/abgedeckt – hat man da noch eine Chance, auf ehrlichem Weg das grosse Geld (zur Finanzierung der persönlichen Unabhängigkeit und Freiheit) zu machen? (Ich schreibe bewusst „auf ehrlichem Weg“, denn so, wie z.B. Onassis sein Geld verdient hat, durch grausamen Walfang usw., möchte ich keinen Franken verdienen.)

Bezüglich meiner Zukunft mache ich mir immer wieder Gedanken. Mit dem direkten Stil der M.-P. habe ich mir rundherum Feinde geschaffen und ich frage mich, ob dieser progressive Kurs längerfristig durchzuhalten ist. Die Schwyzer „Dorf- und Gewerbemafia“ setzt mittlerweile alle Hebel in Bewegung. Dann sehen mich auch die hiesigen rückständigen Bauern als „Feindbild“ usw. etc. Tierschützer Erwin Kessler hat mich vor einigen Monaten mit einem Fax gewarnt, falls man gewissen Herren gefährlich werde, alle Hebel gegen einen in Bewegung gesetzt würden. In bin in jüngster Vergangenheit so vielen Leuten auf die Füsse getreten (natürlich nicht ohne Grund…), dass ich buchstäblich auf der Abschussliste stehe. F.S. bestätigt dies.

Im Prinzip müsste man mit fundierten kritischen Beiträgen der „Mafia“ erst recht den Marsch blasen. Das Problem ist leider, dass je massiver man sich mit dem Filz anlegt, desto stärker einem der finanzielle Hahn zugedreht wird…

Nach über 5 Jahren „Knorz“ habe ich mir punkto M.-P. einiges Know How zugelegt. Wären genügend Inserate da, könnte ich den Leserinnen und Lesern mittlerweile ein sowohl redaktionell wie auch gestalterisch ansprechendes Blatt präsentieren. Ich beschäftigte mich mit dem Gedanken, eine schnelle DTP-Anlage mit Grossfarbbildschirm, CD-ROM, Profi-Scanner usw. anzuschaffen. (…) Der Kauf einer kompletten Satzanlage würde mich aber wohl nur finanziell unter enormen Druck setzen, zumal ich ja nicht weiss, was in nächster Zukunft läuft…

Heuchel-P. kreist wieder als „Erbschaftsgeier“ und negativer Aufwiegler über unserem Haus. Gestern morgen machte er einen Blitzbesuch und brachte das gewohnte Familienleben so ziemlich durcheinander. Am Nachmittag schaltete sich auch noch Schwester Ch. ein. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie mir vor diesen Schleichern ekelt! Wenn sie auch „Geschwister“ sind – sie bedeuten mir nichts. (Ich wünsche ihnen nichts Böses, kann aber gut auf ihre „Gesellschaft“ verzichten…)

Was punkto unserem Haus in Zukunft läuft, weiss ich nicht. Würde alles in gewohntem Rahmen weiterlaufen, die Gesamteinnahmen am Ende eines Jahres durch vier geteilt (oder von mir aus auch nur durch drei), dann wäre alles i.O. Die Interessen sind jedoch sehr verschieden und variieren je nach Wetterlage.

Einmal will S. ausbezahlt werden, dann will es Chr. auch, nachher heisst es wieder, das Haus solle zu dritt (Chr., P. und mir) weitergeführt werden, dann nur wieder P. und ich. Schliesslich wird auch die Variante „P. und ich“ als nicht durchführbar angeschaut. Plötzlich kommt P. mit irgendwelchen Furzideen, die selbst Mutter total absurd findet. Schliesslich heisst es, am besten würde Urs das Haus allein übernehmen (Einwand: „Das kann er natürlich nicht, weil er kein Geld hat.“). [Anmerkung: Dazumal hatten alle meine finanziellen Möglichkeiten unterschätzt, weil ich ein Tiefstapler war…]

Nehmen wir an, das Haus hat einen Wert von 2,0 Mio. Franken, dann heisst dies, dass 1,5 Mio. Franken ausbezahlt werden müssen. Was allein der Zinsaufwand, die Gebäudeversicherung usw. kosten würde! (Ich müsste sozusagen – ohne Mieter – Tag und Nacht arbeiten. Was wäre das für ein Leben!)

Würde ich mich auszahlen lassen, hätte ich ebenfalls Fr. 500’000.–. Das Haus, an dem ich sehr hänge und in das meine Eltern und Kinski sehr viel Arbeit investiert hat, müsste verkauft werden. Wäre das sinnvoll? Was lässt sich mit Fr. 500’000.– in der Schweiz schon anfangen? Eine Weltreise machen? Das Geld als Playboy in fernen Ländern durchbringen? Nach Neuseeland reisen und dort mit einem sparsamen Lebenswandel und Gelegenheitsjobs „privatisieren“? Was schlägst Du vor, Bert? Du siehst die Sache weniger emotional, sondern nüchtern-sachlich. Berate mich!

Ich mache mir neuerdings tatsächlich Gedanken, auszuwandern. Denn hier kann man arbeiten und arbeiten und bringt es doch nie auf einen grünen Zweig! Und von echter Lebensqualität keine Spur! [Anmerkung: Daran ist die Aussenwelt schuld. Später, allein in der alten Brauerei, erlebt Beeler dann bestmögliche Lebensqualität und ein „fürstliches Leben“.]

Als Du sagtest, Du würdest es in Schwyz nicht mehr aushalten, konnte ich das nicht ganz verstehen. Mittlerweile bin ich aber (fast) so weit, dass ich gleich denke. Was soll ich hier? Ständig opponieren gegen die Schwyzer Dummköpfe? „Sollen sie doch weiter intrigieren, die Umwelt verpesten usw. Ich habe getan, was ich tun konnte – jetzt reicht’s, ich gehe…“, sage ich vielleicht eines Tages.

In Schwyz habe ich sowieso immer weniger Rückhalt (Beispiel: Norbert, der sich von mir distanziert). Würde man wenigstens nur ein Grüppchen haben, das sich solidarisch für positive Dinge einsetzt, könnte man hier viel bewirken. Aber als „einsamer Prediger in der Wüste“ zu wirken, gurkt mich langsam an. [Anmerkung: Beeler hielt dann immer noch 7 Jahre durch.]

Falls ich eines Tages ins „Exil“ gehe, dann sollte es dort schöner sein als hier: nette Leute, saubere Luft, eine intakte Umwelt usw.

Ich meine: „Mit dreiundreissig Jahren, da ist man noch in Schuss, mit dreiundreissig Jahren, ist noch lange nicht Schluss!“ Man muss offen sein und das Paradies suchen, solange man noch die Kraft hat.

Herzliche Grüsse

Urs

 

PS: Vielleicht komme ich doch noch eines schönen Tages nach Neuseeland. Frag‘ doch einmal den Mann im „Gruselhaus“… („I see a man coming from Switzerland to NZ…“) Würden die mich als Einwanderer überhaupt nehmen? Sonst müsste mich Vater Engelbrecht halt adoptieren oder eine Heirat mit einer hübschen und reichen Neuseeländerin organisieren…

 

Schwyz, den 10.6.96

 

Lieber Bert

Vielen herzlichen Dank für Dein Fax vom 20.5.96, die Fotos, die Karte und den Fax vom 7.6.96. Ich habe mich darüber sehr gefreut!

An meinem Geburtstag meinte es Petrus wirklich gut. Es herrscht wunderschönes Sommerwetter und ich konnte mit kurzen Hosen und Libli herumlaufen. Ich fuhr an diesem Tag noch in Richtung „Rotschuo“. Vom Licht und der Vegetation her war es absolut super! (Die Natur war in ihrer Schönheit unüberbietbar.)

Mir ist unbegreiflich, warum sich diese Landschaft hier nicht positiv auf die Menschen auswirkt. Das schöne Wetter – und im Kontrast dazu die hiesigen Leute: furchtbar! Am besten, man geht gar nicht aus dem Haus, wenigstens nicht an Sonn- und Feiertagen… [Anmerkung: Da hat Beeler durchaus recht.]

Gestern Sonntag führte der VgT (Verein gegen Tierfabriken) eine Schifffahrt (Treffen) auf dem Vierwaldstättersee durch. Abreiseort war Luzern. Ich wäre gerne gegangen, aber allein der Gedanke nach Luzern fahren zu müssen, hat mich davon abgehalten. Städte wie Luzern oder Zug sollte es gar nicht geben. [Anmerkung: Wie würden darüber wohl Luzerner und Zuger denken?]

Das Schlimme ist, dass man die herrliche Landschaft hier je länger je weniger geniessen kann. [Anmerkung: Das war damals mit Leuten im Haus tatsächlich so. Geniessen kann man nur allein!] Überall bescheuerte Leute – man wird noch zum Menschenfeind!

Rückblickend kann ich Deinen Vater gut verstehen, dass er selten aus dem Haus in Rickenbach ging. Und aus gutem Grund hast Du Deine Ausflüge aufs Nötigste (Velofahren) beschränkt. Wer sich mit Schwyzern abgibt, ist Masochist [Anmerkung: Dies gilt nicht nur für Schwyz, sondern vermutlich „weltweit“!!]

Ich selbst bin bei warmen Sommerwetter meist gut gelaunt und bemüht, für etwas lockere Stimmung zu sorgen. [Anmerkung: Das ist wohl war!] Aber diese toten Schwyzerinnen und Schwyzer zum Leben zu erwecken, scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Ich finde das schlimm. Neben dem materiellen Wohlstand ein solches emotionales Defizit!

Das Beste scheint wirklich, man versucht möglichst viel Geld zu verdienen und verreist nachher. Zum Leben (und für die Liebe) ist die Schweiz nicht geeignet, nur zum Arbeiten.

Was gibt es sonst zu berichten? W.F. ist nach 3 Monaten Altersheim gestorben. Offenbar wollte er nicht mehr leben, anders ist dieser rasche Tod kaum zu erklären.

Das Schwyzer Casino (neuer Name: MythenForum) wächst. (…). Das Schwyzer Parkhaus Hofmatt ist kürzlich fertig geworden; der „Begegnungsplatz“ ist eine Betonwüste. (Alles, was in unserer Region gebaut wird, gibt ja auch den Zeitgeist wieder.)

Apropos Bauen: Vor ca. 1 Woche hat die Erweiterung des Mythen-Centers in Ibach begonnen. Man rechnet ungefähr mit Kosten von 90 Mio. Franken. Der Verkehr in Richtung Ibach wird über den unteren Center-Parkplatz umgeleitet (punkto Strassenbau erinnert es mich etwas an unsere Deutschland- bzw. Dänemarkreise).

Den Peugeot 306 habe ich immer noch nicht verkaufen können, obwohl ich ihn bereits Fr. 5’000.– billiger, d.h. für Fr. 14’950.– in der „AR“ anbot. Jetzt mache ich auch noch einen Versuch in der „Fundgrueb“: 30% Rabatt, d.h. für Fr. 14’000.–. Den Micra offeriere ich für Fr. 11’500.– (Wegen dieser verdammten Kiste habe ich immer Rücken- und Nackenschmerzen!).

Der neue Citroën Saxo ist zwar eine furchtbare Klotterkiste, wenigstens aber sind Fahrwerk, Sitze, Lenkung und Bremsen akzeptabel. Den Rest kann man vergessen. Bisher bin ich lediglich die rauhe 1,4-Liter-Version (Motor wie Peugeot 306) gefahren. Dieses Auto passte mir nicht. Nun habe ich vor, die 1,1-, 1,6- und die Sportversion (neuer 1,6-l-Vierventiler mir 120 PS) probezufahren. [Anmerkung: Alles Enttäuschungen…]

Willy meint nach wie vor, mein 306 XR mit 1,4-l-Motor sei die „optimale Lösung“. Dieses „Guetzli“ kann er jedoch vergessen…

Ich bin nicht einmal der einzige, der sich über die heutigen „modernen“ Autos beklagt. Kürzlich sprach ich in Brunnen mit einem Urner Citroën Xantia-Fahrer. Er sagte, das Auto sei ihm zu hart. Am liebsten hätte er noch immer seinen bequemen alten CX. Aber eben… – auch die Automobilhersteller spinnen (…)

Übrigens: Willy fährt neu einen Citroën Xantia Break 2.0. (Er ist von diesem Auto überzeugt.) (…)

Jetzt im Sommer vermisse ich Dich sehr. Es ist niemand da, mit dem man nach Brunnen spazierengehen kann. Kein Bierausflug in die Kleinstadt, kein Spaziergang in Weggis. Das ist etwas trostlos.

Ob ich mich in Neuseeland wohlfühlen würde? P.I. und C.C. (unsere Mieter) waren einige Wochen in Neuseeland. Ihnen gefiel es sehr, vor allem Christchurch. Mein Problem ist – und das hast Du schon längst erkannt – dass ich mit dem Schwyzer Boden verwurzelt bin. Umgekehrt leide ich hier unter dem unsäglichen Leuteschrott. Was tun?

Eigentlich sollte ich ja zufrieden sein. Es gibt Millionen Menschen, denen es gesundheitlich, finanziell usw. schlechter geht als mir. Nur meine ich: mit den Voraussetzungen, die wir in der Schweiz hätten, könnten wir es viel schöner haben.

Die Woolworth-Aktien sind bis auf – wenn ich mich nicht täusche – 23$ gestiegen. Das stört mich jedoch nicht.

Viele liebe Grüsse
Urs

 

PS: Geniesse das Leben in Neuseeland!

 

Anmerkung: Merkwürdigerweise fand man im Archiv nochmals denselben Fax mit Datum vom 22.5.96

 

Schwyz, den 22.6.96

 

Lieber Bert

Vielen herzlichen Dank für Deinen Fax vom 20.5.96, die Fotos, die Karte und den Fax vom 7.6.96. Ich habe mich darüber sehr gefreut!

(Entschuldige, dass ich Dir erst jetzt antworte. Ich musste wieder „chrampfen“ wie ein Pferd. Und viel Arbeit – vor allem Organisations-, Aufräum- und Sortier-Arbeit – steht noch bevor…)

An meinem Geburtstag meinte es Petrus wirklich gut. Es herrscht wunderschönes Sommerwetter und ich konnte mit kurzen Hosen und Libli herumlaufen. An diesem Tag fuhr ich noch in Richtung „Rotschuo“. Vom Licht und der Vegetation her war es absolut super – paradiesisch! (Die Natur war in ihrer Schönheit unüberbietbar.)

Mir ist unbegreiflich, warum sich diese Landschaft hier nicht positiv auf die Menschen auswirkt. Das schöne Wetter – und im Kontrast dazu die hiesigen Leute: furchtbar! Am besten, man geht gar nicht aus dem Haus, wenigstens nicht an Sonn- und Feiertagen.

Kürzlich führte der VgT (Verein gegen Tierfabriken) eine Schiffahrt (Treffen) auf dem Vierwaldstättersee durch. Abreiseort war Luzern. Ich wäre gerne gegangen, aber allein der Gedanke nach Luzern fahren zu müssen, hat mich davon abgehalten. Städte wie Luzern oder Zug sollte es gar nicht geben. [Anmerkung: Wie würden wohl die Luzerner und Zuger darüber denken?]

Das Schlimme ist, dass man die herrliche Landschaft hier je länger je weniger geniessen kann. Überall bescheuerte Leute – man wird noch zum Menschenfeind!

Rückblickend kann ich Deinen Vater gut verstehen, dass er selten aus dem Haus in Rickenbach ging. Und aus gutem Grund hast Du Deine Ausflüge aufs Nötigste (Velofahren) beschränkt. Wer sich mit Schwyzern abgibt, ist Masochist.

Das Leben hier könnte einen wirklich depressiv stimmen. Die meisten Leute sind dermassen konservativ und festgefahren, dass man sie auf den Mond zu schiessen wünscht. Dieser verdammte Schwyzer Leuteschrott und Filz!

Ich selbst bin bei warmen Sommerwetter meist gut gelaunt und bemüht, für etwas lockere Stimmung zu sorgen. Aber diese scheintoten Schwyzerinnen und Schwyzer zum Leben zu erwecken, scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Ich finde das schlimm. Neben dem materiellen Wohlstand ein solches emotionales Defizit!

Das Beste scheint wirklich, man versucht möglichst viel Geld zu verdienen und verreist nachher. Zum Leben (und für die Liebe) ist die Schweiz nicht geeignet, nur zum Arbeiten.

Was gibt es sonst zu berichten? W.F. ist nach 3 Monaten Altersheim gestorben. Offenbar wollte er nicht mehr leben, anders ist dieser rasche Tod kaum zu erklären.

Das Schwyzer Casino = MythenForum wächst. Das Schwyzer Parkhaus Hofmatt ist kürzlich fertig geworden; der „Begegnungsplatz“ ist eine Betonwüste. (Alles, was in unserer Region gebaut wird, gibt ja auch den Zeitgeist wieder.)

Apropos Bauen: Vor ca. 3 Woche hat die Erweiterung des Mythen-Centers in Ibach begonnen. Man rechnet ungefähr mit Kosten von 90 Mio. Franken. Der Verkehr in Richtung Ibach wird über den unteren Center-Parkplatz umgeleitet (punkto Strassenbau erinnert es mich etwas an unsere Deutschland- bzw. Dänemarkreise).

Den Peugeot 306 habe ich immer noch nicht verkaufen können, obwohl ich ihn bereits Fr. 5’000.– billiger, d.h. für Fr. 14’950.– in der „AR“ anbot. Jetzt mache ich auch noch einen Versuch in der „Fundgrueb“: 30% Rabatt, d.h. für Fr. 14’000.–. Den Micra offeriere ich für Fr. 11’500.– (Wegen dieser verdammten Kiste habe ich immer Rücken- und Nackenschmerzen!).

Der neue Citroën Saxo ist zwar eine furchtbare Klotterkiste, wenigstens aber sind Fahrwerk, Sitze, Lenkung und Bremsen akzeptabel. Den Rest kann man vergessen. Bisher bin ich lediglich die rauhe 1,4-Liter-Version (Motor wie Peugeot 306) gefahren. Dieses Auto passte mir nicht. Nun habe ich vor, die 1,1-, 1,6- und die Sportversion (neuer 1,6-l-Vierventiler mir 120 PS) probezufahren. [Anmerkung: Alles Enttäuschungen…]

Willy meint nach wie vor, mein 306 XR mit 1,4-l-Motor sei die „optimale Lösung“. Dieses „Guetzli“ kann er jedoch vergessen…

Ich bin nicht einmal der einzige, der sich über die heutigen „modernen“ Autos beklagt. Kürzlich sprach ich in Brunnen mit einem Urner Citroën Xantia-Fahrer. Er sagte, das Auto sei ihm zu hart. Am liebsten hätte er noch immer seinen bequemen alten CX. Aber eben… – selbst die Automobilhersteller spinnen.

Übrigens: Willy fährt neu einen Citroën Xantia Break 2.0. (Er ist von diesem Auto überzeugt.)

Jetzt im Sommer vermisse ich Dich sehr. Es ist niemand da, mit dem man nach Brunnen spazierengehen kann. Kein Bierausflug in die Kleinstadt, kein Spaziergang in Weggis. Das ist etwas trostlos.

Ob ich mich in Neuseeland wohlfühlen würde? P.I. und C.C. (unsere Mieter) waren einige Wochen in Neuseeland. Ihnen gefiel es sehr, vor allem Christchurch. Mein Problem ist – und das hast Du schon längst erkannt – dass ich mit dem Schwyzer Boden verwurzelt bin. Umgekehrt leide ich hier unter dem unsäglichen Leuteschrott. Was tun?

Eigentlich sollte ich ja zufrieden sein. Es gibt Millionen Menschen, denen es gesundheitlich, finanziell usw. schlechter geht als mir. Nur meine ich: mit den Voraussetzungen, die wir in der Schweiz hätten, könnten wir es viel schöner haben.

Die Woolworth-Aktien sind sogar einmal bis auf – wenn ich mich nicht täusche – 23$ gestiegen. Das stört mich jedoch nicht.

Der Goldpreis scheint tendenziell eher zu fallen. Momentan liegt der Unzenpreis so um die 384$. Wenn das Gold auf 370-375$ fällt, könnte man vielleicht 1’000 Battle Mountain, Echo Bay oder Homestake Aktien kaufen. Von der Dividende her sind vor allem Amgold und Kloof interessant. Technologiewerte haben im Moment eher an Terrain eingebüsst. Hier verfolge ich speziell Unisys und Digital Equipment. [Anmerkung: Beeler macht hier den Fehler, auf Aussenseiter statt auf Trendsetter zu setzen.]

Von der Rendite her interessant wäre Pacific Gas & Electric (Energie). Sollten jedoch die Zinsen in den USA steigen, dürfte dieser Titel automatisch tiefer bewertet werden. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der Dollar. Momentan heisst es, der Franken würde tendenziell eher weiter an Wert verlieren. Umgekehrt: Wenn der Dollar plötzlich wieder auf Fr. 1.10 fällt, sagen dieselben „Experten“, dass der Kurs gar auf Fr. 1.- oder theoretisch sogar Fr. 0.90 fallen könne. Die Frage stellt sich auch, wie der Schweizer Franken auf die Einführung der europäischen Einheitswährung reagieren wird.

Kommt Jörg schon bald in die Schweiz?

Viele liebe Grüsse
Urs

 

PS: Geniesse das Leben in Neuseeland!

 

Schwyz, den 25.8.96

 

Lieber Bert

Herzlichen Dank für Deinen Fax vom 22.7.96.

Entschuldige bitte, dass ich erst heute ein Lebenszeichen von mir gebe.

Die vergangenen Wochen waren streng. Ich musste arbeiten wie ein Pferd. Anfangs September findet im Zingel die 3. Regionale Gewerbe-Schau statt – und da will ich es diesen Innerschwyzer Idioten wieder einmal mit einer 4-Farben-Nummer zeigen!

Der Verkauf ist hart, zumal die meisten Leute auf „Sparkurs“ sind und ich zudem (wie schon seit Jahren) von gewissen rückständigen Kreisen boykottiert werde. (Natürlich ist es schon irgendwie logisch, dass dieselben Leute, die ich in aller Öffentlichkeit als „Idioten“ bezeichne, mir nicht Geld für Inserate geben wollen… Umgekehrt bin ich nicht bereit, mich denen redaktionell anzupassen.)

Apropos Schrott: Ich bin vor einigen Wochen alle derzeit verfügbaren Versionen des Citroën Saxo gefahren. Mein Kommentar: Alle Modelle gehören schon neu auf den Schrottplatz! [Anmerkung: Wie wahr!] Laute Motoren, eine katastrophale Verarbeitung (Polter- und Quietschgeräusche etc.), unharmonische Fahrwerke, enge Platzverhältnisse, viel zu dunkel getönte Scheiben, geringe Kopffreiheit, billiges schwarzes Interieur etc. Ich habe die Suche nach einem passenden Auto – aus Protest! – aufgegeben. Den Micra habe ich noch nie geputzt. Ich steige einfach ein und fahre los. Öl etc. kontrolliere ich an dieser Karre auch nicht. Wenigstens ist die Kiste robust; sie verträgt selbst die brutalste Fahrweise. Ich hasse dieses Auto (…). (Aus Hass wurde mit der Zeit noch „Liebe“…)

Ein grosser Vorteil hat der Micra: ich fahre nur noch soviel, wie ich unbedingt muss. So hat man mehr Zeit für anderes, spart Geld und belastet die Umwelt weniger.

Was gibt es sonst zu berichten? Nicht sehr viel. Der Sommer ist hier abgelaufen, ohne, dass man viel von ihm gespürt hätte (diesen Eindruck teilen viele Leute, mit denen ich geredet habe). Schon jetzt – gegen Ende August – hat es am Morgen Nebel. Bald ist schon Herbst und darauf wieder trüber Winter. Und dann geht’s wieder weiter im selben Trott.

Dass es irgendwo in der Schweiz anders bzw. besser sein könnte, diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Kürzlich fuhr ich mit dem Zug nach Bern. Anhand der Häuser (den Wohnverhältnissen ganz allgemein), kann man auf einer solchen Fahrt sehr gut auf die Mentalität der Leute schliessen. Die Mentalität der Luzerner deckt sich mit der Mentalität ihrer „Chnuschti-Häuser“ und „Ortschäftli“. Ein wichtiges Indiz für die gesellschaftliche Beurteilung ist mir neu die Tierhaltung geworden. Dort, wo Tiere gut gehalten werden (in schönen Freilaufställen usw.), ist auch die Mentalität der Menschen gut. Die vielen Schweinefabriken im Kanton Luzern sprechen für sich.

Ob es anderswo besser ist? Wenn ich mir im Fernsehen anschaue, was in anderen Ländern läuft, stimmt mich das nicht hoffnungsvoll. Gestern sah ich im „Spiegel TV“ eine russische Frauenklinik, in der Abtreibungen vorgenommen wurden, Kinder zur Welt kamen etc. Dieses Spital wurde als „gute Privatklinik“ bezeichnet. Die Räumlichkeiten erinnerten eher an einen Schlachthof (und das „medizinische Personal“ an MetzgerInnen). Furchtbar! Eine nackte junge Frau wurde von einem „Schragen“ auf einen anderen geworfen (!). Eine Abtreibung ist doch für eine Frau sonst schon eine schwere psychische und physische Belastung – und dann noch an einem solchen Ort! Und welchen ersten Eindruck von der Welt muss ein Neugeborenes in einer solchen „Metzgerei“ bekommen!

Die Lebensumstände, unter denen die Leute litten/leiden, werden weiter reproduziert. Wie soll man da optimistisch sein können?

Dass die überwiegende Masse der Menschen unserer Gesellschaft psychophysisch bzw. biologisch krank sein muss, zeigt jede Tagesschau. Und dass es früher besser gewesen sein soll – wer kann das beurteilen? [Anmerkung: Es wird früher wohl kaum besser gewesen sein!!! Sondern wohl meist noch schlimmer.] Die Geschichte ist eine „Geschichte von Mord und Totschlag“. Das Schlimmste: die Leute lernen aus ihren Fehlern nicht. Die Abholzung des Regenwaldes geht weiter, chemische Kampfstoffe werden hergestellt/verbrannt, genmanipulierte Lebensmittel kommen auf den Markt etc.

Die Thematik, die ich hier beschreibe, ist nicht neu. Aber sie beschäftigt mich immer und immer wieder. Das Schlimmste ist der „kleine verantwortungslose, freiheitsunfähige Mann“, der all diesen Wahnsinn produziert oder – gleich was passiert – schweigt. Kürzlich brachte das Schweizer Fernsehen einen interessanten Beitrag. Es ging um folgendes: Im Kanton Uri machte das Schweizer Militär während dem II. Weltkrieg Versuche mit neuartigen Nebelgranaten. Der Wahnsinn: diese Nebelgranaten waren hochgiftig! Tausende von Kühen, Rindern, Kälbern usw. gingen ein. Die Leute bekamen Ausschlag, die Milch und der Boden waren verseucht. Und dann die Reaktion der betroffenen Urner Bauern: Anpassung, ducken gegenüber dem EMD, kriechen – wie Sklaven. Und tatsächlich: Nicht nur diese Urner Bauern, die meisten Leute überhaupt sind bis heute Sklaven geblieben. Sie können nicht frei denken, sondern nur in engen Grenzen. (…) Positive Impulse sind jeweils nur von wenigen Einzelindividuen zu erwarten (…).

Themawechsel: Den Peugeot 306 XR habe ich im Juli an einen netten Ex-Jugoslawen (Chauffeur) mittleren Alters aus Zürich verkaufen können. Seine ganze Familie freute sich sehr (und ich mich auch). Du weisst, dass ich gegenüber J. Vorbehalte habe, aber diese Jankovic’s waren flotte Leute. Ich machte ihm deshalb auch einen günstigen Preis: Fr. 14’000.–. Kari Eichhorn besorgte die Ablieferung (Papiere, waschen etc.). Auch Kari meinte, dass er diese netten Ex-Jugoslawen den meisten heutigen Schweizern vorziehe. [Anmerkung: Kari Eichhorn bekam von Urs Beeler eine saftige Verkaufsprovision von Fr. 1’000.–. Mit dem Ergebnis, dass die Garage Eichhorn später nicht mehr in der Mythen-Post inserierte, sondern im „Bote der Urschweiz“… Eine der vielen schwer erklärbaren Verhaltensweisen/Enttäuschungen, die Beeler all die Jahre im Talkessel erlebte.]

Ist Jörg tatsächlich in die Schweiz gekommen? Ich habe nichts von ihm gehört.

(…) Momentan bin ich im Besitz von 1’800 Digital Equip. Aktien sowie 2’000 Battle Mountain Gold Aktien. Den grössten Posten Digital habe ich für (etwas zu teure) $ 39.875 gekauft, Battle Mountain Gold für $ 8.50. Der Dollarkurs war ca. bei Fr. 1.20. (…) Ist das Haus in der Allerheiligen jetzt verkauft?

Viele liebe Grüsse
Urs

 

PS: Ich wünschte, Ihr würdet wieder in die Allerheiligen zurückkehren und es wäre so wie früher. Aber wahrscheinlich würde Dir das – verständlicherweise – nicht gefallen. Ist Neuseeland soviel besser? Gibt es dort echte Lebensqualität? [Anmerkung: Man sollte Altem nicht nachtrauern.]

 

Schwyz, den 2.10.96

 

Lieber Bert

Herzlichen Dank für Deinen Fax vom 27.8.96.

Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, dass ich Dir erst jetzt schreibe. Die ganze Buchhaltung ist auch während Wochen liegengeblieben. Und entschuldige, dass ich mich heute kurz fasse.

Mutter musste gestern in der Nacht notfallmässig ins Spital eingeliefert werden – schwere Lungenentzündung. Sowohl sie wie auch ich waren gegen das Spital. [Anmerkung: Ein Trottel von Schwyzer Arzt (nicht der Hausarzt) – zum Glück nicht mehr praktizierend – machte noch dumme, unpassende Bemerkungen am Telefon gegenüber des diensthabenden Arztes (?) des Spitals Schwyz betr. des Gesundheitszustands der Mutter ]. Schliesslich hatten wir aber keine andere Wahl; sie wäre sonst wahrscheinlich mit dem schweren Asthma erstickt. Ich hoffe inständig, dass alles gut herauskommt und die im Spital keinen Mist bauen.

So schlimm wie jetzt war Mutter noch nie dran. Sie hatte so starke Atemnot, dass Hans Betschart und ein anderer Rettungssanitäter sie mit einem speziellen Stuhl hinuntertragen mussten – anschliessend auf eine Trage und dann mit dem Rettungswagen ins Spital. Die verdammte Lungenentzündung ist so schlimm, dass sie sogar Sauerstoff haben muss.

Den „Digital“-Kurssturz konnte ich noch knapp abfangen (aber leider etwas zu spät). Fr. 10’000.– hätte ich locker verdienen können. Ich dachte jedoch, die Kurse würden weiter steigen – nun trat das Gegenteil ein. Glücklicherweise ist es ja „nur“ Geld.

An den vergangenen schönen Herbsttagen dachte ich oft an Dich, mein lieber Bert. Ich hätte den R5GT Turbo nie verkaufen sollen. Und heute wäre ich froh, ich hätte den R14 restaurieren lassen (träume immer noch von ihm…). So schön wie mit diesen beiden Autos werden Bündnerland-Ausflüge wohl nie mehr sein.

Ich habe neulich zufällig noch „Herrn Garaventa“ getroffen; er erzählte mir von Neuseeland. Vom Haus Deines Vaters hat er besonders geschwärmt und gesagt, dass sich auch Dein Haus an einer sehr schönen Lage befinde. Die Leute seien sehr nett, Christchurch sei die „englischste“ Stadt ausserhalb Grossbritannien etc. usw.(…)

Ich hoffe, dass Ihr alle wohlauf seid und das Leben in Neuseeland geniesst. Jetzt wird bei Euch wohl schon der Frühling Einzug halten.

Viele liebe Grüsse
Urs

 

Schwyz, den 24.10.96

 

Lieber Bert

Vielen lieben Dank für Deinen Fax und die Genesungswünsche! Mutter geht es glücklicherweise wieder besser.

Entschuldige, dass ich mich heute äusserst kurz fasse – ich bin momentan ziemlich im Stress. Sehr viel ist in den vergangenen Wochen liegengeblieben. Im Büro herrscht Chaos. (Muss erst einmal wieder Ordnung schaffen…)

Ich hoffe, dass Du den Frühling geniesst und Ihr alle wohlauf seid!

Viele liebe Grüsse
Urs

 

Schwyz, den 31.10.96

 

Lieber Bert

Soeben habe ich Dein Fax erhalten. Vielen lieben Dank!

Ich bin momentan immer noch stark im Stress. Es gibt positive Neuigkeiten: Der Verein gegen Tierfabriken von Erwin Kessler hat im Kanton Schwyz Schweineställe unter die Lupe genommen. Grauenhafte Zustände! Unter dem Titel „Grauenhafte Schwyzer Schweinefabriken“ schrieb Kessler einen hervorragenden Artikel. Ich habe dann die Bilder inkl. Name und Adresse der Tierquäler veröffentlicht, z.B. Thomas Schmid in Ibach, Walter Kälin in Bennau, Dominik Schuler in Immensee etc. (So etwas hat’s in unserer Region vorher noch nie gegeben…)

Wir werden weitere Aktionen machen und die Tierquäler immer und immer wieder an den Pranger stellen. (…)

Zu sehen, wie viele Tiere in Schwyzer Ställen zu leiden haben, macht mich unglaublich zornig. Ich könnte diese Schweinemäster in Mike-Tyson-Manier spitalreif prügeln.

Erwin Kessler macht seine Arbeit hervorragend. Er ist sensibel, intelligent, mutig und kompromisslos. Es bereitet mir eine grosse Befriedigung, mit ihm – einem lebenden Revolutionär! – zusammenzuarbeiten.

Dass Ihr das Haus in Rickenbach nicht verkauft, sondern vermietet [Anmerkung: Dies trat aber nicht ein.], finde ich sehr gut. Denn so ist nichts verloren und Du kannst es später einmal immer noch als Schweizer Sommerresidenz gebrauchen. (Schön wäre, Schwyz so umzubauen, dass Du einmal sagen kannst: „Doch, jetzt gefällt’s mir. Sechs Monate pro Jahr halte ich es gut aus…“) [Anmerkung: Beelers Phantastereien…]

Betr. der M.-P.: Ich komme mir schon bald vor wie eine österreichische Verwaltung. Es ist allerhöchste Zeit, das Ganze einer Schlankheits- und Fitnesskur zu unterziehen. [Anmerkung: Das gleich erzählt Beeler schon während Jahren!]

Das wär’s für heute. Ich denke oft an Dich, mein lieber Bert. Bei strahlendem Herbstwetter kommen viele schöne Erinnerungen hoch. Gestern erzählte ich Mutter und Kinski, wie wir einmal mit dem R5 GT Turbo (mit Cup-Fahrwerk) in hübschem Tempo den Oberalp-Pass hinauffuhren und Du auf der Passhöhe sagtest: „Da war jeder Gangwechsel perfekt. Schneller kann man mit einem solchen Auto nicht mehr hinauf.“ – Herrlich! [Anmerkung: Ja, Beeler war früher ein grosser Auto-Fan…]

Heute gab ich die Geschichte vom halb gefrorenen Kühlwasser und Starten des R5 auf der Lenzerheide bei kalten Temperaturen (morgens) zum Besten. Es wäre schön, wenn wir irgendwann wieder einmal – sei es in 10 oder 20 Jahren – solche Unternehmungen machen könnten.

Hat es in Christchurch auch hübsche blonde „Miami-Girls“?

Ich hoffe, dass Du den Frühling geniesst und Ihr alle wohlauf seid!

Viele liebe Grüsse
Urs

 

Schwyz, den 29.12.96

 

Lieber Bert

Vielen Dank für Deinen Fax vom 25.12.96!

Zuerst eine traurige Nachricht: Charly ist am Samstag, den 16.11., gestorben. Zuvor war das Tierchen noch recht munter. Anfangs der betr. Woche war die schlimme Krankheit (oder war es einfach Altersschwäche?) ausgebrochen. Charly hatte plötzlich Probleme mit dem Stuhlgang. Ferner litt er unter Gleichgewichtsstörungen; er fiel gelegentlich aus unerklärbaren Gründen vom Stengel auf den Boden (glücklicherweise ohne sich zu verletzen).

Kinski hatte Wochen zuvor das Wasser-Geschirrli mit einem Klebstreifen („Chläbi“ oberhalb des Wasserstandes) repariert. Kann es sein, dass etwas Klebstoff unglücklicherweise ins Wasser gelangt ist und schliesslich Charly dadurch krank wurde? Ich weiss es nicht. Da diese Reparatur aber nur ein einziges Mal erfolgt war, müsste der ev. vorhandene Klebstoff in den darauffolgenden Wochen ausgeschwemmt worden sein. (Nachträglich mache ich mir jedoch trotzdem Vorwürfe, dass wir das Geschirrli nicht auswechselten.) Und: Charly hat in früheren Jahren oft am reparierten Käfig „herumgeknabbert“ – auch an „Chläbi“ – ohne, dass es ihm etwas gemacht hätte.

Charly war an diesem Samstag dermassen körperlich schwach, dass er nicht einmal mehr stehen konnte. Ich nahm ihn, legte ihn sanft auf meine Handfläche und streichelte ihn. Sein kleiner Körper war glühend heiss. Er schaute mich todunglücklich an; er wusste, dass er sterben würde. Mir tat das arme Geschöpflein so leid! Auf Drängen von Mutter und Kinski legte ich Charly dann ganz sorgfältig zurück in seine Behausung auf den Boden. Die Füsschen des Tierchens waren eng an seinem Körper. Charly überkamen kurz noch unkontrollierte Zuckungen, die ihn halb auf den Rücken warfen. Dann war er tot. (Der treue Freund hatte trotz Schmerzen bis am Morgen durchgehalten um sich – wie es scheint – von mir zu verabschieden.)

Du glaubst nicht, wie sehr wir dieses liebenswerte Geschöpflein die ersten Wochen (und auch jetzt noch) vermissten. Charly war völlig zahm und kam gerne zu mir, um gestreichelt zu werden. Ich wusste genau, was jeder Pfiff von ihm zu bedeuten hatte, ob er sich über den Staubsaugerlärm ärgerte (und deshalb in einen anderen Raum gebracht werden wollte) oder mich zum Mittag- oder Abendessen begrüsste. Das Verhältnis war wie das zu einem sehr guten Menschen. Für mich hatte Charly „menschliche Züge“. Besucher wunderten sich immer über die „unglaubliche Beziehung“ und waren erstaunt, dass ein so kleines Tierchen „so intelligent wie ein Mensch“ sein kann.

Dass mein kleiner Freund jetzt nicht mehr lebt, hat mich emotional stark berührt. Ein Trost habe ich, dass wir zu diesem netten Lebewesen die ganzen 12 Jahre (so alt wurde Charly) sehr gut geschaut haben (jeden Tag sauber gemacht, frisches Wasser und Futter, ein „vollwertiges Familienmitglied“).

1984 bekamen wir Charly und Daisy als Pärchen. Ich sagte mir „Wenn diese Tiere schon nicht in Freiheit geboren worden sind, so sollen sie es wenigstens in der ‚Gefangenschaft‘ möglichst schön haben.“ Als Daisy 1990 starb, war Charly dermassen traurig, dass er selbst fast auch gestorben wäre. Ich habe mich dann mit ihm so intensiv beschäftigt, dass er wieder Lebensmut fand. All die Jahre habe ich durch den engen Kontakt mit ihm sehr viel gelernt. Wir hatten auch viel Spass mit diesem intelligenten, lustigen Vogel, der mich jeden Tag zum übermütigen Spiel aufforderte und fein gestreichelt werden wollte.

„Es ist ja nur ein Tier…“, sagen die „Normalmenschen“. Ich sage: Erst, wenn der Mensch in vollkommener Harmonie mit den Tieren und der Natur lebt, wird es Frieden und Glück auf dieser Welt geben.

Was mir am Leben von Charly aufgefallen ist: dieses Geschöpflein hat nie (wie es bei Menschen „normal“ ist) schlecht gehandelt. Als sich einmal eine Mücke in sein Käfig verirrte, vertrieb Charly sie mit lustigen Schnabelbewegungen (er hätte sie locker schnappen können, tat es jedoch nicht). Charly starb so unschuldig wie ein Baby. Dass das im Körper dieses Vogels personifizierte Gute so einfach aus der Welt verschwunden ist, machte mich sehr traurig.

Wir beerdigten Charly neben einem Rosenstock in unserem Garten.

Ich weiss noch, wie traurig Du warst, als Boris [Anmerkung: Berts Berner Sennenhund] starb. Wir machten darauf einen Ausflug über den Lukmanier, um von diesem unglücklichen Ereignis abzulenken. Ich glaube, Du kannst gut verstehen, wie ich mich fühlte, als Charly starb.

 

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Zum Glück stand in den darauffolgenden Wochen viel Arbeit an, so dass ich mich gedanklich mit total anderem befassen musste. Der Konkurrenzkampf auf dem Inseratemarkt ist noch härter geworden. Die Leute sind auf einem regelrechten Spartrip. Mit Glück habe ich es geschafft, dass ich im Januar wieder herauskommen kann.

Ich will jedoch nicht jammern. In den vergangenen Jahren habe ich gravierende Marketing-Fehler gemacht, zu wenig auf einen interessanten Inhalt geschaut usw. Natürlich kann ich mich dafür auch rechtfertigen und sagen: „Es ging damals nicht anders, die Mittel fehlten oder das Wissen war nicht vorhanden“. Nur nützt das nichts. Der Markt ist „unerbittlich“.

Meine Einsicht ist heute: Man scheitert nie an den anderen, sondern immer nur an sich selbst. [So pauschal kann man das nicht sagen! Später werden die äusseren Umstände dermassen negativ sein, dass Beeler – wie jeder andere auch ob der Situation – aufgeben muss.] Wenn ich mehr Inserate verkaufen will, muss ich die Mythen-Post massiv verbessern. Ich muss flexibler und marktorientierter werden. In diesem Jahr sind ein paar gute Ausgaben geglückt. Auf dieser Basis gilt es aufzubauen.

Vor allem muss ich lernen, die Zeit am richtigen Ort einzusetzen. Wie beim einem russischen Kraftwerk verpufft bei mir allzu oft nutzlos viel zu viel Energie. Leistung bedeutet Arbeit pro Zeit. Was zählt, ist nur, was letztlich als fertiges Produkt herauskommt. [Anmerkung: An diese Praxis hält sich Beeler leider viel zu wenig.]

Ein persönliches Problem von mir war ferner, dass ich mich in den vergangenen Jahren viel zu viel habe frustrieren lassen. Gewisse Leute muss man als Kunden einfach „abschreiben“. Die Theorie Deines Vaters „Faust im Sack“ ist falsch. Eine langfristige Geschäftsbeziehung läuft nur, wenn man sich versteht und dieselbe Sprache spricht. Die Taktik „Faust im Sack“ und mit Arschlöchern Geschäfte machen, fliegt früher oder später auf.

Natürlich würde es mich (finanziell) reizen, jeden als Kunden zu gewinnen. Aber das ist nun einmal nicht möglich. Hier das Unmögliche erreichen zu wollen, ist reine Zeitverschwendung. Man muss sich auf die guten, treuen Kunden konzentrieren und diese gut bedienen. Die Idioten, die seit Jahren nichts machen wollen, muss man links liegen lassen.

Mit meinen Aktien hatte ich in den vergangenen zwei Jahren auch nur mässigen Erfolg, weil ich auf das „Unmögliche“ setzte. Ich setzte primär auf spekulative Aussenseiter. Grosse Gewinne machten jedoch die, welche auf grosskapitalisierte (relativ sichere) Wachstumstitel setzten. – Wie sind Deine Börsenprognosen für 1997? Wird der Dollar auf Fr. 1.40 klettern?

Ob M.-P. oder Börse: wichtig ist die Gesundheit (vor allem die von M.). Mein grösster Wunsch für 1997!

 

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Dass Stöcklin Euer Haus gekauft hat – über diese Nachricht war ich nicht gerade glücklich. Mir wäre lieber gewesen, Ihr hättet es vermietet. Umgekehrt kann ich verstehen, dass Dein Vater froh darüber ist, dass es endlich geklappt hat. Mit dem Geld lässt sich in Neuseeland sicher mehr machen. Kinski hat gesagt, falls Du doch einmal in die Schweiz zurückkehren möchtest, Du jederzeit bei uns eine eigene Wohnung haben könntest. (Das habe ich Dir ja auch schon versprochen!)

Was macht Ihr geschäftlich? Ist Dein Vater im Immobilienhandel eingestiegen und machst Du die Verwaltung? Oder läuft das Geschäft weiter mit F. etc. wie in Rickenbach? Oder hast Du Dich selbständig gemacht? Wie läuft’s bei Jörg’s Velo-Camp?

Da Ihr in der „Nähe des Fernen Ostens“ seid, habe ich mir auch schon überlegt, ob man nicht neue Produkte in die Schweiz importieren könnte. Oder ist der Markt bereits abgedeckt? Was meint Dein Vater? („Urs soll sich erst einmal um die M.-P. kümmern…“)

 

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Abschliessend noch etwas Unterhaltsames. Ich habe kürzlich längere Zeit wieder einmal mit Ste telefoniert. Unglaublich, wie der Bursche sich entwickelt hat (wobei er immer noch derselbe ist…). Er hat mir von Kopenhagen erzählt, wo er und Che von der schönsten Frau, die sie je gesehen hätten, in einem Restaurant bedient wurden. Sie seien beide sprachlos gewesen und hätten sich gegenseitig nur noch angeschaut (sogar der anspruchsvolle Che war so fasziniert!).

In Washington seien sie von zwei jungen Brasilianerinnen angesprochen worden, ob sie auch aus Brasilien kämen. Wieder seien sie – worüber sie sich im nachhinein ärgern würden – „sprachlos“ gewesen. Sie hätten „falsch reagiert“.

Ste erzählte, dass er in diesem Jahr mit einem Freund in der Türkei in einem 4-Stern-Hotel Ferien gemacht habe. Dabei sei er von einer jungen Russin angemacht worden… Es war herrlich, wie er die Story zum Besten gab.

Ich staune, wo Che und Ste schon überall gewesen sind: Miami, Washington etc. Nicht einmal St. Pauli haben sie ausgelassen! Nach Hamburg reisten sie mit P. und K., weil Ste zuvor an der Lunge operiert worden war und deshalb nicht mit dem Flugzeug – wie geplant – in die USA reisen durfte.

In St. Pauli lösche es einem ab, sagte Ste. Und auch Che meinte, dass es dort „übertrieben“ sei. Von der Neugierde getrieben, seien sie bei einem kurzen Spaziergang in der Nähe von ihrem Hotel am Bahnhof fast in einem „Drogenviertel“ gelandet, hätten aber wieder frühzeitig „gewendet“, weil es dort „nervöse Typen“ gehabt habe…

Apropos „nervöse Typen“. Am Escher-Wyss-Platz in Zürich wollten drei junge Jugos Ste und ein Kollege von ihm „ausrauben“. Obwohl die beiden ca. Fr. 120.- bei sich hatten, hätten sie den Jugos erklärt, dass bei ihnen kein Geld zu finden sei. Die Situation sei zusehends kritischer geworden und auch er – Ste (196 cm gross!) – sei „nervös“ geworden. Dem Jugo-Anführer habe er schliesslich gesagt: „Wenn Ihr jetzt de ned dönd ufpassä, chömid Ihr eis fadägrad über… “ – Ich habe mich über diese Story köstlich amüsiert. Aggressive, junge „kriminelle“ J. – und ihnen gegenüber der grossgewachsene, „coole“, selbstbewusste und unnachgiebige Ste.

Ste interessiert sich total für hübsche Frauen. Er kenne ein Lokal (der Namen des Ladens klang südamerikanisch), wo es die „hübschesten Frauen von ganz Zürich“ gäbe. Wenn es stimmt, was er sagt, werde ich mit ihm im Frühling dort einmal umsehen. (Man muss Neuem gegenüber ja immer offen sein…)

So, das wär’s für heute. Ich wünsche Dir alles Gute für 1997 (und auch Mutter und Kinski lassen die besten Neujahrswünsche ausrichten). Geniesse das Leben in Neuseeland!

Hier ist es ziemlich kalt (ca. minus 10° C). Wenn Wind herrscht, hat man das Gefühl, es sei gar minus 30°C.

Viele liebe Grüsse
Urs

 

 

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