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Wenn die Psychiatrie zum letzten Joker des Systems wird – ein Szenario

Dienstag, 11. Januar 2005

Das System kann zu massiven Mitteln greifen, wenn es zu seiner eigenen Selbsterhaltung bzw. Legitimation keine rationalen Argumente mehr weiss. So wurden Regimekritiker in der ehemaligen Sowjetunion automatisch psychiatrisiert oder landeten in Sibirien. Ein Vorgängermodell dazu war im Mittelalter die Inquisition.

Stellen wir uns einmal die Frage, wie es heutzutage dem Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell ergehen würde
So, wie man gehört habe, plane Tell eine kriminelle Tat auf Gessler. Man wisse nicht genau, was Tell mit seiner Armbrust vorhabe, ständig übe er damit. Gessler sei in seiner Funktion als Landvogt legitim. Da könne nicht einer einfach kommen und Selbstjustiz betreiben.
Folge: Die Behörden lassen ihre Muskeln spielen. Für Wilhelm Tell wird der Fürsorgerische Freiheitsentzug angeordnet. (Sich physisch dagegen wehren darf er keinesfalls, weil er sonst „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ beginge.). Im psychiatrischen Gutachten wäre später zu lesen, Tell habe einen „Freiheits- und Unabhängigkeitstick“. Das gehe so nicht. Er müsse lernen, sich anzupassen, sich zu integrieren und vor allem unterzuordnen. Tells „Autoritätsproblem“ müsse unbedingt – nötigenfalls medikamentös – therapiert werden. Tell würde als gesunder, von Kraft strotzender, aufrechter Mann eingewiesen.
Ein paar Wochen später ist Tell nur noch ein menschliches Wrack und ein Schatten seiner selbst. Weder seine Frau noch Kinder erkennen ihn wieder. Die moderne Pharma-Psychiatrie hat ihre Arbeit getan. Aus systemtreuen Medien ist zu erfahren, laut Ärzteberichten sei Tell wohlauf und es gehe ihm gut. Und die Behörden sehen sich in ihrer Entscheidung bestärkt: Die „professionelle Hilfe“ habe gut angeschlagen.

Was passiert mit dem mutigen Kämpfer Winkelried?
Den Behörden sei zu Ohren gekommen, Winkelried besitze eine Charakterstruktur, die möglicherweise sein eigenes Leben gefährden könne. Die Schwyzer Vormundschaftsbehörde ordnet prophylaktisch den Fürsorgerischen Freiheitsentzug an. Bezirksarzt habe bei Winkelried „stark masochistische Züge“ sowie das „Borderline-Syndrom“ diagnostiziert. Winkelried wird in der Folge eingewiesen und die Schlacht bei Sempach verloren.

Und was läuft mit Bruder Klaus?
Der Vormundschaftsbehörde der Gemeinde Schwyz sei weiter zu Ohren gekommen, dass Bruder Klaus seinen Alimentenzahlungen nicht nachkomme. Tatsächlich liegt von Einzelrichter lic. jur. Peter Linggi vom Bezirksgericht Schwyz ein rechtsgültiges Urteil vor, dass Bruder Klaus zwar hätte Alimentenzahlungen für seine Kinder zahlen müssen, dies aber nicht getan habe. Mehr: er habe sogar Frau und Kinder von einem Tag auf den anderen verlassen und lebe fortan von der Gesellschaft zurückgezogen als Einsiedler. Besorgte Schwyzer Bürger berichten weiter, Bruder Klaus sei garantiert „nicht normal“. Das erkenne man bereits an seiner ortsunübliche Haartracht. Die Schwyzer Vormundschaftsbehörde kommt zum Schluss, diesem Mann müsse man unbedingt „helfen“… Diagnose: Bruder Klaus leide an religiösen Wahnvorstellungen. Es sei deshalb für Bruder Klaus selber wie seine Familie „das Beste“, dass er in die Psychiatrische Klinik Oberwil eingewiesen werde. Folge: Die Schweiz bekommt nie einen Nationalheiligen.

 

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