Von Urs Beeler
Typisch für die meisten Sekten ist, dass die Sektenführung (oben) selber abzockt und die Sekten-Anhänger (unten) es nicht merken. Klassische Merkmale von Sekten sind ebenso die Täuschung durch die Sektenführung und der bedingungslose Glaube der Sektenanhänger. [Dieser Beitrag erschien am 11.10.19 auf Facebook.]
Seit Jahren bringt die SVP das Schreckgespenst angeblicher hoher Sozialhilfeausgaben vor. So wurde vor einigen Jahren im Kt. Schwyz ernsthaft der Antrag vorgebracht, die (sonst schon tiefe) Sozialhilfe um 10% zu kürzen, „um ein Zeichen zu setzen“. Die Sozialhilfeausgaben würden angeblich „aus dem Ruder laufen“. Wie von der SVP gewünscht, wurde diese Fake-Botschaft von den regionalen und nationalen Leitmedien in die Welt hinausgetragen.
Die SVP-Gehirnwäsche zeigte die beabsichtigte Wirkung: SVP-Anhänger und Sympathisanten waren der Meinung, es würden tatsächlich „gewaltige Sozialhilfebeiträge“ an Bedürftige ausbezahlt und der Kt. Schwyz würde unter der Last der Sozialausgaben in Kürze zusammenbrechen. Logisch, dass auch gleichgeschaltete VertreterInnen und Vertreter der FDP und CVP glaubten, sich unbedingt dieser „Mehrheitsüberzeugung“ anschliessen zu müssen.
Soll bzw. muss man über soviel Dummheit und Rückgratlosigkeit nun lachen oder weinen?
Der SVP gelang die beschriebene Gehirnwäsche allein durch ihre zahlenmässige Stärke im Schwyzer Kantonsrat. Rationale Gründe brauchte es keine. Die Proklamation des Glaubenssatzes „gewaltige, aus dem Ruder laufende Sozialhilfeausgaben“ allein genügte als Argument, damit rückgratlose, offenbar nicht zur selbständigen Denkweise und Willensäusserung fähige KantonsratskollegInnen aus FDP und CVP im Chor der SVP mitsangen. Klar, dass auch ein Bote der Urschweiz, Sprachrohr des Schwyzer Polit- und Behördenfilzes, bei dieser fest beschlossenen Meinung nicht abseits stehen durfte: Der Kt Schwyz drohte unter seinen (angeblich) hohen Sozialausgaben (fast) unterzugehen!
Schwyz-typisch wurde darüber nicht mehr im Detail diskutiert. Zumal der SVP-Glaubenssatz der horrend hohen Sozialhilfeausgaben unverrückbar feststand. Das Beispiel zeigt psychoanalytisch auf, welche enorme Bedeutung in der politischen Praxis Irrationalität und irrationalen Argumenten (angeblich „aus dem Ruder laufende Sozialhilfeausgaben“) zukommen. Und wie wirksam und erfolgreich SVP-Gehirnwäsche in der Praxis funktioniert: Die SVP-Anhänger und -Sympathisanten „glaubten“ das Märchen der hohen Sozialhilfekosten. Und das war die Hauptsache!
Es muss jedoch niemand Mathematik studiert haben, um den SVP-Schwindel zahlenmässig zu entlarven: Allein an den nationalen Finanzausgleich zahlt der Kt. Schwyz im Jahre 2019 mit 204,4 Millionen Franken (gemäss Luzerner Zeitung vom 29.6.18) rund 9x (!) soviel wie die gesamten Sozialhilfeausgaben des Kantons ausmachen.
Der Kt. Schwyz hat über 150’000 Einwohner. Die Nettoausgaben für Sozialhilfe im engeren Sinne belaufen sich auf rund 23 Mio. Franken. Oder anders ausgedrückt: Der Ausserschwyzer Martin Ebner (geschätztes Vermögen gemäss Bilanz vom 26.1.2018 zwischen 2,5 – 3 Mrd. Franken), BZ Bank, könnte die gesamten Sozialhilfekosten des Kt. Schwyz über 100 Jahre allein finanzieren und wäre immer noch Multimillionär! Trotzdem gelingt es der SVP ihrer Wählerschaft seit Jahren weiss zu machen, dass die Sozialhilfe finanziell ein „Riesenproblem“ darstelle und dringender Handlungsbedarf angezeigt sei. Diese grandiose Volks-Verschaukelung übernehmen aber nicht nur SVP-Sympathisanten willfährig, sondern – wie oben bereits erwähnt – auch noch Sekten-Jünger der FDP und CVP im Schwyzer Kantonsrat.
Die Absurdität geht weiter: Die SVP stellt das Thema Sozialhilfe in ihrer Propaganda dermassen dramatisch dar, dass Aussenstehende leicht das Gefühl bekommen, falls nicht jeder Zweite schon von Sozialhilfe betroffen sei, so mindestens doch jeder Vierte. Aber auch hier sieht die Realität anders aus: Gemäss offizieller Statistik 2018 des Kantons Schwyz liegt die Anzahl der unterstützten Person bei rund 2’200 oder 1,4%. Dieser Minderheit gegenüber stehen im selben Kanton über 6x mal so viele Vermögensmillionäre!!
Hartgesottene SVP-Sympathisanten werden obige Zahlen kalt lassen. Kernstück ihrer Glaubensüberzeugung bildet einzig und allein das von der SVP hochgehaltene Dogma des „gewaltigen Sozialhilfemissbrauchs“. Hier sehen die Zahlen jedoch noch ernüchternder aus: Die erhärtete Sozialhilfe-„Missbrauchsquote“ im Kt. Schwyz liegt bei 0,3%.
Die hartgesottensten der hartgesottenen (in Wirklichkeit völlig irregeleiteten) SVP-Wähler glauben bis zum heutigen Tag, dass die Kosten der Schwyzer Sozialhilfe im Verhältnis zu den Haushaltseinnahmen „gewaltig“ seien.
Die Erfolgsrechnung 2018 des Kantons Schwyz (Medien-Mitteilung vom 28.3.19) schliesst bei einem Ertrag von 1,624 Mrd. Franken und einem Aufwand von 1,517 Mrd. Franken mit einem Ertragsüberschuss von 107.4 Mio. Franken ab. Setzt man nun die Sozialhilfeausgaben (des gesamten Kt. Schwyz) in Relation zu den Einnahmen, machen sie 1,42% aus.
Viele SVP-Wähler vermitteln gerne den Eindruck, sie allein müssten quasi für die „gesamten Sozialhilfekosten“ aufkommen. Auch dieser für manche äusserst emotionale Faktor muss etwas relativiert werden: Die jährlichen Ausgaben pro Einwohner/in (des Kt. Schwyz) für die Sozialhilfe im engeren Sinn belaufen sich auf Fr. 146.-., was 40 Rappen (0,4 Fr.) pro Tag entspricht.
Schätzen Sie die Politik der SVP immer noch als glaubwürdig ein?
PS: Jetzt hätte ich fast noch den Beitrag von Pfarrer Martin Dürr vergessen: https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/pfarrer-martin-duerr-die-svp-traegt-merkmale-einer-sekte-127751000?fbclid=IwAR1x5u8dQ9gGrZXApG9FaDqfhvb5g9YY77xKmfilBQxOWS4ju6eRMrY_kQs