Dieser Beitrag von Urs Beeler erschien in den VgT-Nachrichten (VN 2002-1)
Wer glaubt, Schwyz sei noch so etwas wie die Urstätte der Demokratie und Freiheit der Schweiz, täuscht sich. Der gute alte Wilhelm Tell würde sich vermutlich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, was heutzutage für „Hösis“ die Wiege der Eidgenossenschaft bevölkern.
Von der Bundesverfassung garantierte Meinungs- und Pressefreiheit
In Art. 16 der neuen Bundesverfassung steht: „Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet. Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.“
In Art. 17 heisst es: „Die Freiheit von Presse, Radio und Fernsehen sowie anderer Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist gewährleistet. Zensur ist verboten.“
Die Praxis sieht etwas anders aus
Im Oktober 1996 brachte die Mythen-Post einen Beitrag von Erwin Kessler „Grauenhafte Schwyzer Schweinefabriken – und die Behörden tun nichts“. Später unternahm die Mythen-Post eigene Recherchen und fotografierte selber Schweineställe. Im Oktober 1997 erschien ein neuer Beitrag über die Schwyzer Schweinefabriken. Diesmal waren die Reaktionen so heftig, das die Schwyzer Bauernvereinigung zum Inserate-Boykott gegen die Mythen-Post aufrief. „Schweiz Aktuell“, „Der Beobachter“ und der „K-Tipp“ berichteten kritisch darüber. Was dann geschah, hätte ich niemals für möglich gehalten: Obwohl die Mythen-Post mit ihren tierschutzpolitischen Forderungen hundertprozentig im Recht war und bis heute nicht widerlegt werden konnte, wandten sich viele Gewerbetreibende aus Angst ab.
Druck statt Fakten
Markus Ambühl, damals Inhaber der Termoservice AG, Cham, erklärte in einem Gespräch, er sei mit der Mythen-Post immer gut gefahren und würde weiter inserieren, vorausgesetzt, dass Erwin Kessler in unserem Heft keine Artikel mehr publiziere. Ich sagte zu Herrn Ambühl, dass ich eine solche Zensur nicht billigen könne: „Ich gebe Ihnen aber gerne die Möglichkeit, im redaktionellen Teil einen Artikel ‚gegen Kessler‘ zu schreiben und ihn zu ‚widerlegen‘.“ An dieser Stelle angelangt, wollte Markus Ambühl nicht weiter diskutieren. Immer wieder machte ich die Erfahrung: Wenn’s um Fakten geht, wird’s bei den Kessler- und Beeler-Gegnern ruhig.
Wenn Profit mehr zählt als Ethik
Josef Gasser, Elektrounternehmung, Ibach, wurde von Mästern (Kunden) und rückständigen Gewerblern aus Steinen unter Druck gesetzt, sodass er den Inserate-Vertrag mit der Mythen-Post vorzeitig auflöste. „Wenn Du bei Beeler wieder inserierst, bist Du unsere Aufträge los“, wurde dem Inhaber einer Ibächler Küchenbaufirma gedroht. Bauern gingen bei einem Berufsbekleidungsgeschäft in Seewen vorbei und drohten: „Wenn Du auch in Zukunft in der Mythen-Post inserierst, kaufen wir bei Dir nichts mehr.“
Ein Garagier aus Steinerberg wollte nicht länger in unserem Heft inserieren, weil er glaubte, dass der benachbarte Schweinemäster sonst sein nächstes Auto nicht mehr bei ihm kaufen könnte
Im Januar ’98 suchten Bauern und Mäster weiter langjährige Inserenten der Mythen-Post auf und drohten, „nichts mehr zu kaufen“, wenn in Zukunft in unserem Heft inseriert werde. Einem Textilfachgeschäft an der Schulgasse in Schwyz („viele Bauern als Kunden“) war es daraufhin „zu heiss“. Auf den damaligen Inhaber eines Herrenmodegeschäfts an der Herrengasse in Schwyz wurde ebenfalls Druck ausgeübt.
SVP-Nationalrat Scherer…
…aus dem Kanton Zug, der in Hünenberg eine grosse Schweinemästerei betreibt und im „Blick“ angibt, wieviele tausend Ferkel er schon ohne Narkose kastriert habe, versuchte per Telefon auf die Mythen-Post Druck auszuüben. Man müsse sich unbedingt von diesem Kessler distanzieren. Unvergesslich ebenso Gregor Annens (Schreinerei Ulrich & Annen, Steinen) Spruch „Schweinemäster dürfen nicht so direkt kritisiert werden“. Eine Auffassung, die vielleicht noch von Gleichgesinnten am Stammtisch geteilt wird, jedoch kaum von kritischen Konsumenten. Dass Gregor Annen so argumentiert, verwundert nicht, denn Onkel Franz Annen betreibt im Frauholz, Steinen, eine Mästerei.
Unglaublich: Sogar die Schwyzer Kantonalbank ist am Inserate-Boykott beteiligt!
Jahrelang inserierte die Schwyzer Kantonalbank in der Mythen-Post. Als sich unser Heft vermehrt Tierschutz-Anliegen im Kanton Schwyz annahm, reduzierten sich plötzlich die SKB-Aufträge – bis zum Total-Boykott. Was steckt dahinter?
Werner Schibig, Marketing-Chef der Schwyzer Kantonalbank, ist der Schwager von Viehhändler und Schweinemäster Josef Ott-Schibig, Küssnacht, Brüschhalde
Zu den Kunden der SKB gehören auch Schweinemäster und die Bank könne nicht in einer Zeitschrift inserieren, „die sich einseitig für den Tierschutz engagiert“. Schibig vergleicht in einem Gespräch die Schweineintensivmast mit einem „Tunnel“. Die Menschen würden mit Autos ja auch durch Tunnel fahren.
Erstens handelt es sich um einen absurden Vergleich. Selbst, wenn man auf ihn eingeht, stimmt er nicht, denn niemand verbringt sein ganzes Leben z.B. im Gotthardtunnel! Auch dass Schweine naturgemäss nicht in ihrem eigenen Kot liegen (was aus der Verhaltensforschung längst bekannt ist), weiss Schibig nicht. Doch wozu sind auch Argumente und Rückgrat nötig, wenn man doch als Ausgleich ein prall gefülltes Werbebudget hat?
Im Gegensatz dazu wird der „Bote der Urschweiz“, der Tierschutzmissstände entweder nicht bringt oder verharmlost (siehe: Der Bote der Urschweiz – Sprachrohr der Schwyzer Polit- und Agromafia), von der SKB grosszügig mit Inseraten gesponsert Dieser Fall wird unter dem Stichwort „Boykott“ mit Bildern aus der Schweinefabrik Ott-Schibig, Küssnacht, ausführlich geschildert. Wir sind der Meinung, dass man alles schreiben darf, solange es der Wahrheit entspricht und der Gerechtigkeit dient.
Auch Klöster dürfen nicht kritisiert werden
Alois Auf der Maur, Präsident des Kantonal-Schwyzerischen Gewerbeverbandes, Schwyz, gibt sich im Umgang diplomatisch, findet aber, Beeler sei ein „Revoluzzer“. Auf der Maur argumentierte, die Tierhaltung des Klosters Fahr bzw. Einsiedeln dürfe nicht kritisiert werden, weil es sich um Klöster handle. Tritt das Tierschutzgesetz bei Klöstern plötzlich ausser Kraft?
„Keine Beiträge über Pelztiere bringen“
Weil wir einen Beitrag über die grausame Käfigzucht von Nerzen brachten, wurden wir von Kunstschlosser Tobias Jöhl, Brunnen, boykottiert. Begründung: Er sei mit Kürschner Thomas Werner, Ibach, befreundet. (Anm.: Vater Joe Jöhl findet die Mythen-Post gut und wir wiederum schätzen seit Jahren Herrn Jöhl sen.) Ist man im Talkessel Schwyz neu auch noch „gewerbefeindlich“, wenn man aufzeigt, wie Nerze im Ausland gehalten werden?
Finanziell gesehen war das Engagement der Mythen-Post für den Tierschutz ein Desaster
Ich habe mir jedoch nie einen Vorwurf gemacht. Denn ethisch war es absolut korrekt – und vor allem notwendig. Und hätte sich die Mythen-Post dafür im Raum Schwyz nicht engagiert, hätte es – ausser dem VgT – niemand getan. Wir werden uns auch in Zukunft für die Rechte der Tiere einsetzen – Boykotte hin oder her!
Urs Beeler, Gründer und Herausgeber der Mythen-Post, Schwyz