Interview mit dem frühren SVP-Parteipräsidenten der Gemeinde Schwyz
Martin Gasser war 1992 Kantonsrat und Parteipräsident der SVP der Gemeinde Schwyz. Beruflich leitete er die ELVIA-Versicherungsagentur am Hauptplatz 11 in Schwyz. Ihm unterstellt waren zwei weitere Büros: die Agentur Einsiedeln und die Agentur Küssnacht.
Die Mythen-Post stellte Martin Gasser kurz vor der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 Fragen zum Thema „EWR/EU“.
Sie sind Parteipräsident der SVP der Gemeinde Schwyz. Im Gegensatz zu den grossen Parteien CVP, FDP und SP lehnt die SVP einen EWR-Beitritt unseres Landes ab. Seit Jahren fristet Ihre Partei im Kanton Schwyz eher ein Mauerblümchendasein. Hat sich das in den vergangenen Monaten geändert?
Martin Gasser: Es ist tatsächlich so, dass die SVP Schwyz bis anhin mehr oder weniger im Schatten der grossen Parteien – vor allem der CVP – stand. Seit dem 5. April 1992 besitzen wir jedoch im Kantonsrat die Fraktionsstärke. Grund dafür ist u.a. die klare Position der SVP in der EWR/EU-Frage.
Könnten Sie das genauer erläutern…
Martin Gasser: Ich glaube, dass die Mehrheit des Schwyzer Stimmvolks trotz massivster Propaganda der Staatsmedien Radio und Fernsehen, der grossen Zeitungen usw., die sich für einen EWR-Beitritt aussprechen, nicht hat irreführen lassen. Die Schwyzerinnen und Schwyzer wissen haargenau, welche negativen Folgen ein EWR- und später ein EU-Beitritt für unser Land hätte. Und genau diese klare Linie hat die SVP – im Gegensatz zu den grossen Parteien – verfolgt.
Vor allem die CVP wird ja wegen ihrer befürwortenden Haltung zum EWR in unserem Kanton massiv kritisiert…
Martin Gasser: Zurecht. Als Volkspartei hätte die CVP mutig gegen den EWR Stellung beziehen müssen. Dass sie das – im entscheidenden Moment – nicht getan hat, ist ein riesengrosser Fehler.
Steht die CVP heute ohne Volk da?
Martin Gasser: Darüber möchte ich kein Urteil abgeben.
Wie würden Sie die Position der Liberalen umschreiben?
Martin Gasser: Die Liberalen in unserem Kanton sind bezüglich der EWR-Frage gespalten. Gesamtschweizerisch gesehen spricht sich die FDP für einen EWR-Beitritt aus. Nun weiss ich aber aus Gesprächen, dass viele Liberale in unserem Kanton gegen einen EWR-Beitritt sind.
Und die Gewerbler?
Martin Gasser: Auch hier glaube ich, dass die Situation anders ist, als sie von den Medien dargestellt wird. Man muss zwischen den Verbandsvertretern unterscheiden und der Basis.
Wird die Mehrheit der Schwyzer Bauern den EWR ablehnen?
Martin Gasser: Das kann ich nur hoffen!
Warum sind Sie ein überzeugter EWR-Gegner?
Martin Gasser: Weil nach dem Bundesrat der EWR ja nur eine Zwischenstufe darstellt. Heute sollen wir dem EWR beitreten und morgen steht dann der EU-Beitritt auf dem Programm.
In Inserate-Kampagnen machen doch die Befürworter des EWR darauf aufmerksam, dass zwischen dem EWR und der EG eine klare Trennung bestehe…
Martin Gasser (lachend): Wer das glaubt! Warum hat dann der Bundesrat schon frühzeitig ein EU-Beitrittsgesuch gestellt? Die Sache läuft doch so: Weil der Bundesrat genau weiss, dass das Volk zum heutigen Zeitpunkt einen EU-Beitritt ablehnen würde, wird eben der EWR vorgeschoben. Falls das Schweizer Stimmvolk den Fehler macht und Ja zum EWR sagt, wird’s vielleicht vier Jahre dauern und die EU-Abstimmung wird auf dem Programm stehen. Dann wird argumentiert: „Ja schaut, ihr wusstet doch, dass der EWR nur eine Übergangslösung ist. Zurück können wir nicht mehr. Wir müssen jetzt in die EU!“
Und ein EU-Beitritt wäre dann wirklich das letzte, was man sich als Schweizerin oder Schweizer wünschen kann…
Martin Gasser: Genau. Wenn die EU kommt, können wir buchstäblich zusammenpacken. Dann wird fremdes Recht in unserem Land einziehen und unsere direkte Demokratie, die bewaffnete Neutralität und Eigenständigkeit unseres Landes werden der Vergangenheit angehören. Am Schluss dieser Fehlentwicklung wird unser Land als selbständiges Staatswesen aufhören zu existieren.
Der Stimmbürger muss also jetzt quasi die Notbremse ziehen?
Martin Gasser: Bildlich gesprochen würde ich sagen, dass unser Land gar nicht erst in den EWR/EU-Zug einsteigen darf. Denn Sie wissen ja: wer später die Notbremse ziehen muss, zahlt dafür!
Also kommt nur ein Alleingang in Frage…
Martin Gasser: Richtig. Der EWR und die EU sind politische und wirtschaftliche Fehlkonstruktionen. Um auf das vorgängige Beispiel zurückzukommen vergleichbar mit einem Zug, von dem man weiss, dass er irgendwann entgleisen wird.
Den eigenen Weg zu gehen, kann hart werden…
Martin Gasser: Wir haben die vergangenen 700 Jahre unsere Politik selber gemacht. Ich sehe keinen Grund, weshalb wir von dieser positiven, bewährten Tradition Abschied nehmen sollten.
Wenn wir unsere Rahmenbedingungen (Geld-, Fiskal-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik) auch künftig selber machen können, werden wir im wirtschaftlichen Wettbewerb bestehen. Mehr: Wir werden Europa spätestens nach 10 Jahren den praktischen Beweis liefern können, dass wir mit einem Alleingang besser gefahren sind als mit einem EWR/EU-Beitritt.
Sind Sie davon überzeugt?
Martin Gasser: Hundertprozentig! Das Volk wird niemals seine Freiheiten aufgeben.
Haben Sie zum Schluss dieses Interviews noch einen speziellen Wunsch?
Martin Gasser: Ich wünsche mir zuerst einmal eine möglichst hohe Stimmbeteiligung am kommenden 6. Dezember – und dass der EWR vom Volk wuchtig verworfen wird.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!