Unlautere Methoden in der Politik – ein konkreter Fall (ein Beitrag aus dem Jahr 1995)
Die folgende Geschichte handelt davon, wie die CVP der Gemeinde Schwyz anlässlich einer Nominationsversammlung im Jahre 1995 die demokratischen Spielregeln verletzte und den „Fall“ im nachhinein behutsam unter den Teppich wischte. Auch die Lokalmedien hielten es nicht für nötig, der Sache auf den Grund zu gehen. Schliesslich ist die CVP ja immer noch zahlenmässig die stärkste Partei im Kanton Schwyz, übrigens auch im Schwyzer Gemeinderat…
Die Vorgeschichte
Zwei namhafte Mitglieder der Schwyzer CVP eröffneten dem seinerzeitigen Bezirksparteipräsidenten Kaspar Betschart, dass ihn die Partei als geeigneten Nationalratskandidaten erachte und sie sich freuen würden, wenn er sich auch tatsächlich zu einer Kandidatur entschliessen könnte. Sie gaben dem damaligen Generalagenten der Winterthur Versicherung (und heute unabhängigen Versicherungsmakler) eine Bedenkzeit von einer Woche. Der Vorstand werde die Ausmarchung zwischen Herrn Gerhard Oswald und ihm – sofern er mit einer Kandidatur einverstanden sei – am Donnerstagabend, den 11. Mai 1995, 20.00 Uhr, vornehmen. Kaspar Betschart befand sich zu der Zeit im guten Glauben, dass der Vorstand dazu nach den Statuten der CVP-Ortspartei Schwyz legitimiert sei, was aber tatsächlich gar nicht der Fall war.
Kaspar Betschart besprach mit seiner Familie und seinem Arbeitgeber, der Winterthur Versicherung, das Thema Nationalratskandidatur. Nach reiflicher Überlegung fasste er den Entschluss, sich für eine Kandidatur zur Verfügung zu stellen. Dies gab er mündlich Herrn Peter Rickenbacher und Frau Bernadette Kündig-Blättler am Abend des 10. Mai 1995 bekannt. Zusätzlich musste Kaspar Betschart eine „Loyalitätserklärung“ unterschreiben. Der Text dazu lautete: „Mit meiner Unterschrift bestätige ich, dass ich den Entscheid des Vorstandes der CVP Gemeinde Schwyz vom 11. Mai 1995 in jedem Fall akzeptieren werde. Im Falle einer Nicht-Nominierung werde ich weder an der Bezirksparteiversammlung noch an der kantonalen Delegiertenversammlung als Kandidat zur Verfügung stehen.“ Interessant an diesem Schriftstück ist die Formulierung „in jedem Fall akzeptieren“…
Ein abgekartetes Spiel
Am Donnerstag, 11. Mai 1995, 20.00 Uhr, fand die Nominationsversammlung im Restaurant „Zum letschtä Batzä“ in Schwyz statt. In der Presse war vorgängig nichts davon zu lesen. Es überraschte Kaspar Betschart aber dann sehr, dass von den 22 Vorstandsmitgliedern (Damen und Herren) lediglich deren 13 anwesend waren. 9 Personen waren abwesend (!), wovon – so wurde dem CVP-Bezirksparteipräsidenten mitgeteilt – sich zwei Mitglieder entschuldigen liessen.
Die Kandidaten Kaspar Betschart und Gerhard Oswald bekamen nacheinander die Gelegenheit, sich den anwesenden CVP-Leuten vorzustellen. Daraufhin wurde die geheime Wahl durchgeführt (in Abwesenheit der Kandidaten). Wer das Wahlbüro inne hatte, entzog sich der Kenntnis von Kaspar Betschart. Nach der „Abstimmung“ erschien Frau Bernadette Kündig-Blättler und gratulierte Herrn Oswald zu seiner Nomination. Kaspar Betschart bekam als „Trostpreis“ einen Blumenstrauss überreicht.
Bald wurde Kaspar Betschart klar, dass er diese inszenierte Wahl gar nie gewinnen konnte, waren doch die Personen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit ihm die Stimme gegeben hätten, gar nicht anwesend! Dies machte den gebürtigen Muotathaler begreiflicherweise wütend – und der CVP-Blumenstrauss flog später in den nächstbesten Container…
CVP-„Informationspolitik“
Ein Tag später, am 12. Mai 1995, bestätigte CVP-Mitglied Christian Werner gegenüber Kaspar Betschart, dass er von der Ausmarchung gar nichts gewusst habe…
Es wäre doch die Aufgabe des Präsidiums der Partei gewesen, die Vorstandsmitglieder dahingehend zu informieren, dass es möglicherweise zu einer Ausmarchung zwischen Gerhard Oswald und Kaspar Betschart komme.
Spätere Abklärungen ergaben, dass der Schwyzer CVP-Parteivorstand gar nicht legitimiert gewesen war, die Nominationsversammlung durchzuführen. Doch dieser Einwand wurde von der CVP-Ortspartei unter den Tisch gekehrt.
In Anbetracht der „unfairen Veranstaltung“ vom 11. Mai 1995 hätte man z.B. die Loyalitätserklärung als ungültig erklären können. Kaspar Betschart hätte so die Chance gehabt, bei der Nominationsversammlung der Bezirkspartei nochmals zu kandidieren. Dies geschah aber nicht.
Eine Kopie dieses Schreibens ging u.a. an Lorenz Bösch (damals Kantonaler Parteipräsident der CVP), Ständerat Bruno Frick sowie Regierungsrat Franz Marty.
Was sich dann abspielte, ist für die CVP-Ortspartei Schwyz typisch: es geschah nämlich gar nichts! Niemandem kam es in den Sinn, sich bei Kaspar Betschart für das unfaire Verhalten zu entschuldigen. Man liess die Sache einfach auf sich beruhen.
Wie gingen die CVP-Nominierungen weiter?
Am Freitag, den 23. Juni 1995, fand in Wangen die definitive Nomination der CVP-Nationalratskandidaten statt. Die 175 Delegierten der CVP des Kantons Schwyz wählten dabei mit 100 Stimmen Elisabeth Meyerhans (siehe dazu „Bote der Urschweiz Nr. 142 vom 24.6.95).
Kantonsrätin Hedy Ulrich, Küssnacht, bezeichnete die Wahl „als eigentlichen Glücksfall für die Frauen und die Partei“. Die Nomination dieser Frau war aber wohl eher als unglückliche Wahl zu bezeichnen, denn Elisabeth Meyerhans setzte sich im Jahre 1992 engagiert für einen EWR-Beitritt (und damit den Souveränitätsverlust) unseres Landes ein. Mit 93 Stimmen wurde der Merlischacher Toni Eberhard (ein Landwirtschaftspolitiker der alten Schule) gewählt.
Nun die Überraschung: das raffiniert eingefädelte Spiel der Schwyzer CVP-Ortspartei ging in Wangen nicht auf. Gerhard Oswald unterlag im Rennen um Platz 3 dem – bis dahin in der Innerschwyz unbekannten – Märchler Richard Hensel, der 90 Stimmen bekam.
Mit Kaspar Betschart bessere Chancen gehabt?
Erinneren wir uns an das Jahr 1992. Damals wollte die CVP mit Biegen und Brechen in den EWR. Praktisch die gesamte CVP-Lobby sprach sich geschlossen für einen EWR-Beitritt aus. EWR-Gegner innerhalb der CVP konnte man an einer Hand ablesen! Kaspar Betschart war einer dieser ganz wenigen, die innerhalb dieser Partei den Mut hatten, öffentlich gegen den EWR Stellung zu beziehen.
Die Frage stellt sich, ob Kaspar Betschart als EWR- und UNO-Blauhelmgegner nicht mehr Sympathien beim Schwyzer Stimmvolk gehabt hätte. Doch das interessiert in der heutigen CVP wohl niemanden. Die Spitze dieser Partei möchte mit ihrer Gefolgschaft ja ohnehin in die EU.
Anwesend an der CVP-Nominationsversamlung vom 11. Mai 1995 waren: Bernadette Kündig Blättler, Vize-Präsidentin der Ortspartei Josef Märchy, Gemeindepräsident Beat Brücker, Gemeinderat Regula Münsterberg, Gemeinderätin Ruedi Immoos, Gemeinderat Albert Kündig, Gemeinderat Louise Ehrler-Bruhin, Bezirksrätin Franz Betschart, Kantonsrat Hans Weber, Kantonsrat Alois Mettler, Kantonsrat Arno Bolfing Walter Inderbitzin Peter Rickenbacher (bis kurz vor der geheimen Wahl!) |
Nachzutragen ist, dass die folgenden 10 Vorstandsmitglieder bei der Wahl anlässlich dieser Nominations-Versammlung vom 11. Mai 1995 nicht anwesend waren: |
Mit Schreiben vom 18. Mai 1995 meldete sich dann der Unteriberger Bauunternehmer und Kantonsrat Konstantin Marty zu Wort. Er fragte den Vorstand der CVP der Gemeinde Schwyz wie folgt an: „Kürzlich konnte ich der Presse entnehmen, dass in Schwyz zwischen zwei möglichen CVP-Nationalratskandidaten eine Ausmarchung stattgefunden hat. Meine Frage geht nun dahin: Geht die CVP der Gemeinde Schwyz bei derart wichtigen Entscheiden neue Wege? Bisher war es meines Wissens Tradition, dass jeweils die Mitgliederversammlung diese Kandidaten wählte. Macht der Vorstand der CVP der Gemeinde Schwyz nur dieses Jahr eine Ausnahme oder gilt das auch für die Zukunft? Sind das neue demokratische Spielregeln, politische Usanzen und Gepflogenheiten? Müssten nicht unbedingt die demokratischen Spielregeln bei einer derart wichtigen personellen Weichenstellung – vor allem, wenn von einem der beiden Kandidaten der Sohn als Parteipräsident amtet – eingehalten werden? Stimmt es, dass von 22 Vorstandsmitgliedern (bei der Wahl) nur gerade deren 12 Personen anwesend waren? Warum sind die CVP-Parteimitglieder übergangen worden? (…).“ |