Inserat

Inserat

Was die Öffentlichkeit bis heute nicht wusste (eine Satire)

Es ist an einem Sonntag im Februar 2004. Tierschützer Erwin Kessler sitzt gemütlich in einem Ohrensessel in der warmen Stube seines Hauses in Tuttwil und liest friedlich die „NZZ am Sonntag“. Daneben liegt auf einer Zeitungsbeige auch die neuste Mythen-Post.

Tierschützer Erwin Kessler.

Beeler hat vor vielen Monaten mit Kessler „definitiv Schluss gemacht“. Obwohl offiziell „Schluss ist“, verfolgt Kessler weiterhin aufmerksam, was in der Innerschweiz und vor allem in Sachen Mythen-Post abläuft. Mitglieder des VgT müssen ihm über alles, was passiert, ausführlich berichten und ihm jede Ausgabe (die er offiziell nicht mehr liest) zustellen.

Totale Überraschung – und erst noch an einem Sonntag!
Kessler fährt von seinem Stuhl auf. In der Mythen-Post steht gross die Schlagzeile: „Erwin Kessler ist Dr. Geiz“. – „Das darf ja nicht wahr sein!“ ist Kessler leise vor sich hinredend zu hören. Aufmerksam liest Kessler den Artikel. Darin wird ihm vorgeworfen, er habe infolge damaliger Unaufgeklärtheit über KMFs im Dachstuhl selber mit Steinwolle isoliert; er habe wahrheitsgemäss angegeben, dass ihn dieses Material „noch 1 Woche nach Einbau gejuckt“ habe. Üblich sei, dass Kessler in einem solchen Fall sofort gegen den Verursacher vorgehe. Dies sei im Fall Flumroc nicht geschehen. Kessler habe auch keine tatkräftige Hilfe im Kampf gegen Isover und Konsorten geleistet mit dem Argument: „Wenn sich die Leute mit Glaswolle vergiften wollen, so sollen sie doch!“ Er engagiere sich ausschliesslich für Tierschutz – und nicht für die Menschen.

Unglaubliche Vorwürfe
Während sich Beeler jahrelang für Kessler Ziele eingesetzt habe, könne man das Umgekehrte nicht sagen. Kessler habe vor allem auf sich selber und seinen Vorteil geschaut.
Finanziell habe der VgT in den Neunzigerjahren von der Mythen-Post profitiert – nicht umgekehrt. Kessler sei auch nicht ein so kompromissloser Kämpfer, wie er der Öffentlichkeit gegenüber laufend weiss mache. Im seinerzeitigen Streit mit McDonalds z.B. habe Kessler eingelenkt mit einem Stillschweigeabkommen. Hätte dies ein anderer gemacht, wäre ihm von Kessler „Inkonsequenz“ und „Verrat am VgT und am Tierschutz“ vorgeworfen worden. Wenn es Kessler mache, sei es hingegen eine „notwendige Massnahme“.

Eine Abrechnung?
Kessler komme auch immer wieder mit dem Märchen des bescheidenen Tierschützers, welcher den einträglichen Beruf eines Bauingenieurs an den Nagel gehängt habe und neu zu einem geringen Honorar professionell Tierschutz betreibe. Tatsache sei, dass Kessler im Jahre 2003 mindestens 10mal mehr Einkommen kassiert habe als Beeler. Von Dritten gehen die Vorwürfe sogar soweit, Kessler sei wie eine gefährlich Schlange, die ihr Opfer zuerst hypnotisiere und dann mit ihrem Giftzahn zubeisse. Mehr: Kessler sei im persönlichen Umgang mit Schweinemästern (z.B. Thomas Schmid, Ibach) „netter und verständnisvoller als mit seinen Aktivisten“.
Wenn er sich für VgT-Aktivisten vor Gericht persönlich in der Funktion eines Anwalts stark mache, dann nur deshalb, um sich und den VgT selber ins Rampenlicht zu stellen. Die unzähligen Gerichtsprozesse seien Show und dienten der Selbstdarstellung. Was Kessler aber klar vorzuwerfen sei: mangelnde Solidarität gegenüber einem langjährigen Freund und vor allem GEIZ…

Zwischennotiz
In vorliegendem Fall geht es nicht um haltlose Vorwürfe wie Kessler pflege Kontakte zur Revisionistenszene, verbreite falsche Talmud-Zitate, begehe Hausfriedensbruch (Einbruch in Tierfabriken), habe einen Tierquäler-Wirt überfahren (Affoltern am Albis), betreibe als Guru eine Tierschutz-Sekte und vergnüge sich zügellos mit seinen Aktivistinnen, nein, der vorliegende Vorwurf lautet viel schwerer: vorsätzlicher Geiz.

„Eine Maschinengewehrsalve gegen Kessler“
Was da in der Mythen-Post zu lesen ist, ist eine einzige Maschinengewehrfsalve gegen Kessler! Bauernzeitung, Verbandsorgane von Schweinemästern etc. erscheinen dagegen wie harmlose Pfarrblätter.

Kessler ist total aufgebracht…
…und die friedliche Ruhe, die Minuten zuvor noch im Hause der Familie Kessler in Tuttwil herrschte, auf einen Schlag weg. „Was hast Du, Erwin?“ fragt Ehefrau Heidi. – „Schreibt der doch tatsächlich im Titel, ich sei geizig!“ – Im Hintergrund schellt das Telefon. Der obligatorische Anrufbeantworter von Kessler meldet sich: „Hier spricht der automatische Telefonanrufbeantworter von Erwin Kessler…“ – Pipp. Danach hört man den Anrufer sprechen: „Hallo, hier ist Grätzer vom ‚Sonntabsblick‘. Wir haben die in der Mythen-Post gegen Sie vorgebrachten Vorwürfe gelesen. Können Sie mir zurückrufen? Meine Tel.-Nr. ist…“ Danach klingelt das Telefon weiter: „Tages-Anzeiger“, „Weltwoche“ „Thurgauer Zeitung“…
Kessler ist total aus dem Häuschen. Zu seiner Frau: „Den ruf ich jetzt gleich in Schwyz an. Der bekommt etwas zu hören!!!“ – Bei Beeler meldet sich jedoch nur der Fax. „Beruhig‘ Dich doch zuerst, Erwin“, rät Frau Heidi.

Unerwarteter Besuch – und dies auch noch zum falschen Zeitpunkt
Als ob jetzt nicht schon genug an diesem Sonntag los wäre, kommen völlig unerwartet Kesslers Sohn mit Schwiegertochter und Grosskind zu Besuch. Erwin Kessler flitzt an den drei Personen grusslos vorbei. „Was ist mit Grosspapa los?“ frägt eine Kinderstimme.

Im Büro angekommen – jetzt heisst es handeln!
Zwischenzeitlich ist Kessler bereits in seinem Büro angekommen und schaltet seinen neusten PC ein. „Mach, mach…“ hört man ihn ungeduldig. Stichwort „Schwyz“ – „Bezirksamt“. Der Schein der Bürolampe neben Kesslers PC fällt direkt auf den Mythen-Post Artikel.
Am Montagmorgen geht Kessler sofort mit dem Brief zur Post. Empfänger: Bezirksamt Schwyz, welches Kesslers Schreiben am darauffolgenden Dienstag eingeschrieben erhält.

Das Bezirksamt Schwyz tut seine Pflicht
Beeler muss in der Folge dem Untersuchungsrichter Red und Antwort stehen. Und wie nicht anders zu erwarten, wird gegen Beeler unverzüglich ein Strafverfahren eröffnet. Der Mythen-Post Herausgeber argumentiert, dass er lediglich das über Kessler geschrieben habe, was er wisse. Er sei sich keiner Schuld bewusst. Gar von einer „Straftat“ zu sprechen, sei haltlos.

Vor dem Schwyzer Bezirksgericht – Freispruch!
Der Fall gelangt weiter ans Bezirksgericht Schwyz, wo es zur Verhandlung kommt. Kessler liest eine zweistündige Anklageschrift vor. Doch die Vorwürfe mögen das Gericht nicht so recht zu überzeugen. Beeler verteidigt sich, Kessler sei tatsächlich geizig. Wenn das zutreffe, falle dies unter die Meinungs- und Pressefreiheit und sei deshalb nicht strafbar.
Den Richtern fällt auf, dass Kessler auch bei diesem Prozess wieder mit seinem obligatorisch mit VgT-Klebern bespickten Aktenkoffer erscheint. „Das könnte durchaus ein Indiz sein, dass Beeler recht hat und Kessler tatsächlich geizig ist.“ – „Im Zweifelsfalle für den Angeklagten“, lautet das Urteil.

Der „Bote der Urschweiz“ berichtet über den Prozess
Am nächsten Tag steht im „Bote der Urschweiz“: „Beeler siegte gegen Kessler – Freispruch!“
Darauf findet eine Redaktionssitzung beim „Boten“ statt. „Wem kam es in den Sinn diese Schlagzeile zu schreiben?“ – „Ich“, meldet sich eine junge Teilzeitjournalistin. – „Das dürfen Sie aber nicht machen! Sowohl Beeler und Kessler sind extrem und daher bei den meisten Schwyzern nicht beliebt. Wenn Sie nur einen den beiden zu einem Helden machen, schaden Sie unserer Zeitung!“
Wie konnte dieser Fehler passieren? Keine Chefs da und zu viele junge Leute, die nicht wissen, wie in Schwyz Journalismus betrieben werden muss!
Sogar „Bote“-Verleger Dr. Hugo Triner schaltet sich ein: „Bei einer Zeitung, wo erfahrungsgemäss nur die Titel gelesen werden, muss man sich VORHER überlegen, was man schreibt!“
Auch Kessler ist höchst unzufrieden. Er war davon ausgegangen, dass Beeler (weil meist hoffnungslos überlastet) „schlecht vorbereitet“ kommen und bloss „aus der Hüfte schiessen“ würde. Diese erwartete Situation hätte für in ein leichtes Spiel bedeutet.

Was tun?
Kessler ist felsenfest entschlossen, diese Niederlage nicht auf sich sitzen zu lassen und beschliesst einen Weiterzug ans Kantonsgericht Schwyz. Diesmal würde es keinen „Glücks- oder Zufallssieg“ von Beeler geben. Er, Kessler, habe schon gegen viel grössere wie z.B. die Schweizerische Post und andere gewonnen. Und jeder, der ihn „Antisemit“ nenne und ihm Kontakte zur Revisionistenszene nachsage, müsse mit teuren und aufwendigen Prozessen rechnen. Erst recht gehe es nicht, wenn ihm einer Geiz vorwerfe!

Weiterzug vors Schwyzer Kantonsgericht
Vor dem Schwyzer Kantonsgericht haben sich Leute der Wirtschaftsförderung Innerschwyz postiert. Auf einem grossen Transparent fordern sie: „Stoppt Kessler!“ Kessler verhindere mit seinem Geiz den dringend notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung, sagt ein Sprecher gegenüber der anwesenden Lokalpresse. Als berühmte Persönlichkeit könnten ihm andere Leute nacheifern und dadurch grossen Schaden zufügen. Mit möglichen finanziellen Einbussen hätten fortan nicht mehr nur die Fleischbranche zu rechnen, sondern die gesamte einheimische Wirtschaft. „Würden alle so geizig sein wie Kessler, würde nichts mehr investiert“, argumentiert ein zufällig anwesender Schwyzer Bauunternehmer.

Im Gerichtssaal
Als Entlastungszeuge von Kessler treten Martin und Bruno Fuchs aus Ingenbohl im Zeugenstand auf. Sie hätten im Jahre 1997 klar erkannt, dass sich Kessler mit einem roten Porsche in der Nähe der Hausmatt aufgehalten habe.
Ein Mann, der sich einen teuren Porsche leiste, könne nicht geizig sein, argumentiert Kesslers Anwalt.
Kessler habe gar nie einen Porsche besessen, wird dem widersprochen. Zähneknirschend gibt Kessler während der Verhandlung auch zu, dass er damals als Privatauto lediglich einen kleinen Mazda gefahren habe.

Geizig oder nicht?
Kesslers Anwalt verteidigt seinen Mandanten mit dem Argument, dieser sei keineswegs geizig, sondern sparsam. Sparsamkeit sei eine typisch schweizerische Tugend.
„Wo liegen die Grenzen zwischen Geiz und Sparsamkeit?“ versucht Kesslers Anwalt geschickt, den Vorwurf zu entkräften. Und rhetorisch gekonnt stellt er die Frage: „Sind wir nicht alle auf die eine oder andere Art geizig?“

Frontalangriff auf Kessler
Befände sich Beeler in der Sahara am Verdursten und würde ihm zufällig Erwin Kessler mit seinem VgT-Bus dort begegnen, der VgT-Präsident würde vermutlich einen kurzen Orientierungshalt einlegen, aber dann unverzüglich weiterfahren, erläutert Beelers Verteidiger.
Würde Beeler daraufhin verdursten und Kessler sich wegen mangelnder Hilfeleistung vor Gericht verantworten müssen, käme höchstwahrscheinlich folgendes Argument: Der grosszügige Trinkwasservorrat im Bus habe nicht ihm gehört, sondern sei Vermögen des VgT gewesen. Hätte er davon Beeler gegeben, hätte er „Unterschlagung“ begangen und sich „strafbar“ gemacht. Ausserdem sei jeder, der in der Wüste verdurste daran „selber schuld“. Er, Kessler, fühle sich deshalb für den Tod von Beeler nicht verantwortlich.
Die Geschichte in der Sahara wäre damit weitergegangen, das Kessler einige Kilometer weiter den VW-Bus anhalte, eine grosse Wanne aus dem Fahrzeug entnehme, diese mit dem im Überfluss vorhandenen VgT-Trinkwasser fülle, und mitten in der Sahara ein wohltuendes, erfrischendes Bad nehme. Gegen sich sei Kessler nicht geizig – aber gegen alle anderen!
„Bravo!!“ rufen alte, vor Jahren aus Protest und Enttäuschung ausgetretene VgT-Aktivistinnen und Aktivisten. „Genauso ist es!“ Kessler denke nur an sich selbst und seinen Vorteil, jetzt bekomme er endlich dafür die Rechnung präsentiert.

Ein unerwartet harter Schlag
Kessler selbst kocht innerlich. Doch gegen aussen lässt er sich – der schlaue Fuchs und grosse Stratege – nichts anmerken: „Die versuchen, mich aus der Fassung zu bringen, damit ich Fehler mache.“ Kessler weiss, dass er in solchen gefährlichen Situation „cool“ bleiben muss. Denn nur so kann er – die Praxis der vergangenen Jahre belegt es – das Blatt vielleicht noch wenden.

Taktisch falsch beraten?
Ein weiterer Vorwurf an Kesslers Adresse ist, dass dieser seinen Freund im Jahre 1997/98 „taktisch falsch beraten“ habe. Sowohl Generalunternehmer Robert Schmidlin, Steinen, wie die Schwyzer Bauernvereinigung hätten damals mit ihren Boykott-Aufrufen den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs gegenüber der Mythen-Post erfüllt gehabt. Beeler hätte in einem solchen Fall bequem auf Schadenersatz klagen können und realistische Chancen gehabt, damit vor Gericht recht zu bekommen. Der durch den Boykott verursachte Ertragsausfall hätte ihm in einem solchen Fall von den Verursachern bezahlt werden müssen.
Kessler habe in der Presse – fern jeder Realität – jedoch lieber den „Retter der Mythen-Post“ spielen wollen. In der Praxis sei finanzielle Unterstützung durch Kessler bzw. seinen VgT zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen. Kessler habe in der „typisch Kessler-inszenierten Show“ nur auf seinen eigenen, persönlichen Vorteil spekuliert, dass er und sein VgT in den Medien gross dastünden.
In Tat und Wahrheit sei Kessler auf Beeler damals verärgert gewesen, weil dieser sich auf den von Kessler vorgeschlagenen Handel (VgT-Inserate – was damals einer faktischen Abhängigkeit vom VgT entsprochen hätte) nicht eingelassen habe. Und aus diesem Grund habe Kessler auch von eine Klage wegen unlauterem Wettbewerb – lanciert von der Mythen-Post gegen die Boykotteure – abgeraten. Kessler hätte Beeler vor allem den finanziellen Erfolg (gerichtlich zugesprochenes Geld von den Boykotteuren) nicht gegönnt. Und so schliesse sich wieder der Kreis: Kessler sei nur auf sich selber fixiert, dulde nur, wenn er selber im Zentrum stehe und sei vor allem eines gegenüber anderen Menschen: GEIZIG!

„Es war gut, nicht auf Kessler zu hören“
Beeler habe damals richtig gehandelt, nicht auf Kessler zu bauen. Denn so, wie man Kessler kenne, hätte dieser seine finanzielle Unterstützung
1. an nicht-altruistische Bedingungen geknüpft und
2. sowieso – infolge chronischem Geiz – vermutlich bald darauf eingestellt.
„Mit Sicherheit hätte diese aus finanziellen Gründen entstandene Ehe kaum die Flitterwochen überstanden“, bringt es der Anwalt auf den Punkt.
Von einer solchen „Hochzeit“ sei gar nie die Rede gewesen, wendet Kessler ein.

Kessler bekommt noch weitere „Jabs“* zu spüren
*Begriff aus dem Boxsport. Wird vor allem von Boxern mit langen Armen angewendet. Der Gegner wird erst mit dem gestreckten Arm auf Distanz gehalten und dann blitzschnell mit der Faust angegriffen.
Als Zeugin vorgeladen wird weiter die ehemalige Angestellte (Chefin der Montage) der Druckerei Kürzi, Einsiedeln, Ruth Schönbächler. Vor Gericht sagt sie aus, Kessler besitze einen „miesen Charakter“. Das sage sie dem, wenn nötig, auch fadengerade ins Gesicht. Beeler habe jahrelang für Kessler gearbeitet, Zeit und Geld investiert. Zurückgekommen sei nichts. Kessler könne sich in der Öffentlichkeit nur eine so grosse Klappe leisten, weil er von irgendwoher genügend Geld bekomme. „Wenn einer eine Tierschutz-Zeitschrift in Millionenauflage drucken lassen kann, ist er nicht arm“, argumentiert die resolute, aber für ein gutes Herz bekannte Grosserin. Kessler besitze „Geld wie Heu“, davon hätte er Beeler etwas abgeben können, ohne, dass ihm ein Zacken aus der Krone falle.
Was Beeler in den Neunzigerjahren getan habe, habe er freiwillig gemacht, rechtfertigt sich Kessler. „Mich nähe es wunder, ob Sie auch jahrelang gratis Tierschutzarbeit geleistet hätten“, ruft Ruth Schönbächler Erwin Kessler zu.
Solche Vorwürfe hört Kessler nicht alle Tage. Auch dass eine Gegenpartei dermassen gründlich recherchiert und „hart zuschlägt“, geschieht nicht zu Kesslers Freude. Doch wie heisst doch der Spruch: Bedauernswert jener Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft…

Vorwurf List
Während Beeler wie eine Bulle geradeaus kämpfe, sei Kessler listig. Als es seinerzeit dem VgT Schweiz gerichtlich verboten gewesen sei, Aktionen gegen das Kloster Einsiedeln zu führen, habe Kessler durch die Presse verkünden lassen, dass die neuen Aktionen durch den VgT-Österreich durchgeführt würden. Leute des VgT-Österreich seien jedoch nie involviert gewesen! Kessler habe AktivistInnen des VgT Schweiz einfach unter dem Deckmäntelchen „VgT Österreich“ agieren lassen, um dadurch den Schein der Legalität zu wahren.
Kessler argumentiert vor Gericht, dass er sich solche Vorwürfe nicht länger gefallen lasse. Angeklagt sei nicht er, sondern Beeler.

Belastende Aussagen
Vor Gericht befragt werden auch die vier Kessler-Söhne. Sie hätten ihren Vater vor Jahren wegen Geld angefragt, aber nichts bekommen.
„Die hätten ja gar nichts sagen müssen und als Kinder von ihrem Zeugenverweigerungsrecht Gebrauch machen können“, zischt Kessler.
„Offenbar ein ‚Racheakt‘ gegen eine übermächtige und berühmte Vaterfigur“, interpretiert dies ein zufällig im Publikum anwesender Psychologe.
Andere Zeugen sagen, Kessler gehe es gar nicht um Tierschutz, sondern ums Geld. „Das widerspiegelt nur das Denken dieser Leute“, widerspricht dem Kessler.
Ein weiterer gegen Kessler erhobener Vorwurf lautet, er rede davon, dass der VgT mittlerweile „über 30’000 Mitglieder“ habe. „Vermutlich hat der zweimal zusammengezählt“, ruft ein Bauer im Gerichtssaal. Die Menge lacht.

Tatsächlich soviele Mitglieder?
„Dass Sie mit einer Streuung von 180’000 VgT-Nachrichten angeblich 30’000 Abonnenten haben sollen, ist doch ungewöhnlich. Das würde einer Rücklaufquote von über 15% bedeuten „, sagt der anwesende Staatsanwalt. – „Noch eine solche haltlose Behauptung und ich verlasse den Gerichtssaal“, droht Erwin Kessler.

Eine wichtiges weibliches (ehemaliges) VgT-Mitglied im Zeugenstand
Eine ehemalige VgT-Aktivistin aus der Ostschweiz, Marcella F, sagt, Kessler kassiere für seine Tierschutzarbeit aller Vermutung nach ein beachtliches Honorar. Sie hätte ein solches für Recherchen nie bekommen. Kessler: „Ich mache die Tierschutzarbeit berufsmässig – Du nicht. Soweit kommt es noch, dass ich VgT-Aktivistinnen/Aktivisten Lohn zahle!“

Kantonsgerichtspräsident nimmt Kessler in die Zange
Der Gerichtspräsident: „In einem Interview mit Radio Grischa, dessen Aufnahme unserem Gericht vorliegt, haben Sie sich gegen Subventionen von tierfreundlichen Betrieben geäussert mit dem Argument, Sie würden auch keine Subventionen erhalten, wenn Sie Ihre Frau ’nicht abschlagen‘. Geld scheint bei Ihnen doch eine wichtige Rolle zu spielen.“ – „Was ich persönliche zum Thema Geld meine oder nicht meine, ist meine ganz persönliche Angelegenheit „, erwidert Kessler ausweichend.
Der Gerichtspräsident: „Als weiterer Beweis Ihres Geizes wird vorgebracht, Sie hätten seinerzeit ein Einstecken von VgT-Einzahlungsscheinen durch die Druckerei Kürzi, Einsiedeln, als ‚zu teuer‘ abgelehnt. Sogar der Vorschlag, dass die Arbeit durch die günstige BSZ Einsiedeln übernommen werden solle, lehnten Sie ab mit der Begründung ‚zu teuer‘. Sie hätten gesagt: ‚Das können VgT-Aktivistinnen an einem Nachmittag gratis tun.'“
Kessler: „Zu solchen Anschuldigungen nehme ich keine Stellung.“

VgT-Vizepräsidentin springt in die Bresche
Als Entlastungszeugin wird Marlène Gamper, Vizepräsidentin des VgT, vernommen. Erwin Kessler sei ein grossartiger und mutiger Tierschützer, sagt sie aus.
„Darum geht es nicht“, wird Frau Gamper rechtlich belehrt. „Es geht darum, festzustellen, ob Herr Kessler geizig ist oder nicht.“

„Erwin ist ein grossartiger Mensch!“
Marlène Gamper, das einzige VgT-Mitglied, das bis heute Kessler kritiklos und treu die Stange gehalten hat, versagt auch hier nicht: „Erwin ist ein grossartiger Mensch. Im Jahre 1997 hat er Marcella M., mir und auch Urs Beeler das Abendessen im Restaurant Bacco in Brunnen spendiert.“ – „Alles aus Spendengeldern!“ ruft eine Schwyzer Bauersfrau aus dem Zuschauersaal. Die anwesenden Landwirte und Schweinemäster klatschen Beifall.
„Ein geiziger Mensch lädt andere nicht zum Abendessen ein. Mein Mandant ist von den Vorwürfen des Geizes eindeutig freizusprechen“, argumentiert Kesslers Rechtsanwalt Dr. Louis A. Capt.
„Frau Gamper ist befangen. Sie würde niemals etwas Negatives gegen Herrn Kessler sagen“, sagt Beelers Verteidigung. Und so, wie man Kesslers geradezu diktatorischen Führungsstil im VgT kenne, wäre sie in einem solchen Fall für längste Zeit VgT-Vizepräsidentin gewesen.

Gericht will Klarheit schaffen
Aufgrund der sich widersprechenden Zeugenaussagen lässt sich kein eindeutiges Urteil fällen. Deshalb veranlasst das Gericht – für einen solchen Prozess eher ungewöhnlich – zur Wahrheitsfindung eine fachmännische Begutachtung sowohl des Klägers wie des Beklagten.

Was sagt der Gutachter?
Wochen später findet eine neue Verhandlung vor dem Schwyzer Kantonsgericht statt. Der Gutachter, ein erfahrener Psychiater, macht seine Aussage vor Gericht. Gleich zum Anfang betont er, dass es sich bei beiden Probanden um zwei „aussergewöhnliche Persönlichkeiten“ handle, deren Analyse alles andere als einfach gewesen sei. Er sei bei beiden Probanden auf äusserst starken Widerstand gestossen. Beeler habe ihn bereits vor den Befragungen als „systemtreuen psychiatrischer Scharlatan“ bezeichnet und Kessler sei ausfällig geworden mit „Sie sind ja selber nicht ganz hundert.“
Sowohl bei Kessler wie bei Beeler würde es sich um hochsensible, polarisierende Persönlichkeiten handeln. Bei Kessler habe der Tierschutz die zentrale Bedeutung in seinem Leben. Beeler wolle die KMF-Lobby „fertig machen“ und bei Waschmittelproduzenten etc. „aufräumen“. Sowohl Kessler wie Beeler seien auf ihre Ziele fixiert und seien bereit, nötigenfalls dafür ins Gefängnis zu gehen. Bei beiden handle es sich um „Egomanen“, die höchstens eine halbe Stunde gemeinsam in einem Raum verbringen können. Eine weitergehende Kommunikation scheine nur via E-Mail, Fax oder per Telefon auf Distanz möglich zu sein. Kessler sei zweifellos hochintelligent. Seine Stärken lägen im naturwissenschaftlichen Denken (Mathematik, Physik, Statistik etc.). Beeler dagegen sei vor allem den Geisteswissenschaften (Geschichte, Philosophie, Deutsch, Psychologie) zugetan. Kessler sei tendenziell eher introvertiert, Beeler von seinem Grundtypus extrovertiert. Beide seien jedoch typische Einzelgänger, wobei Beeler diesbezüglich der viel extremere verkörpere.
Kessler sei berechnend und der bessere Taktiker als Beeler. Deshalb habe er wirtschaftlich in diesem System mehr Erfolg. Beeler hingegen kämpfe geradeaus, ohne Rücksicht auf Verluste. In dieser Gesellschaft sei eine solche „Lebensstrategie“ selbstzerstörerisch und mit einem hohen Risiko behaftet, dass sie sogar in den Ruin führen könne.
Sowohl Kessler wie Beeler würden psychisch „meist am Limit laufen“. Kessler sei der diszipliniertere von beiden. Beeler von seinem ganzen Typus her ein Anarchist, unfähig, sich einzuordnen.
Kessler sei anal regrediert, was u.a. wohl Grundlage seiner sprichwörtliche Hartnäckigkeit sei. Beeler hingegen sei oral regrediert, was u.a. seinen Hang zur Masslosigkeit erkläre.
Kessler sei Realist, Beeler Idealist. Kessler eher dem Haben zugetan, Beeler dem Sein. Für Kessler sei der „Besitz von Geld“ an und für sich wichtig. Für Beeler wiederum sei „Geld an sich unwichtig“, sondern lediglich Mittel für Freiheit, Unabhängigkeit und Lebensqualität. Kessler und Beeler seien diesbezüglich völlig unterschiedlich, so wie PC (Kessler) und Mac (Beeler).
Währenddem Kessler z.B. eine Äskulap-Klinik gut finde, sage Beeler, der wesentliche Unterschied bestehe darin, dass es dort „2-4mal mehr kostet.“ Kessler findet z.B. Generika in Ordnung, Beeler kritisiert das gesamte Gesundheitswesen radikal und meint, dass über 90% der heutigen Ärzte Lakaien der Pharmaindustrie seien, in erster Linie auf Geld und Prestige bedacht. Und „sämtliche Mediziner besitzen zwar eine Wirbelsäule, aber nur ganze wenige Rückgrat“. Kessler sei mit solchen Pauschalverurteilungen und Rundumschlägen viel zurückhaltender, ja geradezu gemässigt.
Beeler denke in Geldsachen grosszügig. Aus seiner Sicht müsse ihm Kessler zwangsläufig als „geizig“ erscheinen. Umgekehrt: Aus einer anal-fixierten, „geizigen“ Sicht müsse dem auf Sparsamkeit und Horten bedachten Erwin Kessler dem voll auf Lebensqualität eingestellten Urs Beeler als „Fass ohne Boden“ vorkommen. Psychoanalytisch gesehen sei das Verhalten beider Probanden „in sich logisch“.

Weitere Zeugen
In den Zeugenstand gerufen wird weiter Dr. med. Christian Sacher. Dieser kann jedoch über Kessler keine näheren Angaben machen.
Kessler selbst erwidert, Sacher sei ihm von der „Schwyzer Haifischknorpel-Affaire“ her ein Begriff. Dieser habe in der erwähnten Angelegenheit als Kantonsarzt versagt.
Als weitere Zeugen geladen sind Regierungsrat Werner Inderbitzin und Tierarzt Risi aus Arth. Beide sagen vor Gericht aus, dass sie zwar Kessler kennen würden, aber keine persönlichen Angaben darüber machen könnten, ob dieser geizig sei.
Kessler hingegen poltert und wendet ein, er finde es einen Skandal, dass solche Zeugen in der vorliegenden Sache vom Gericht zu Aussagen geladen worden seien. Das Duo Tierarzt Risi und Regierungsrat Inderbitzin (kurz: Bitzi), seien massgeblich für den Tierschutz-Nichtvollzug im Kanton Schwyz in den Neunzigerjahren verantwortlich. RisiBitzi seien ein „unappetitliches Gericht nach Schwyzer Art“. Wären RisiBitzi am Wochenende fromme Lieder im Kirchenchor Arth singen würden, „leiden Mutterschweine im Kanton Schwyz in Kastenständen und Kühe werden durch Kuhtrainer terrorisiert.“

Ein zusätzlicher Fachmann wird befragt
Das Schwyzer Kantonsgericht will es genau wissen und lädt auch einen Spezialisten der Schweizer Bundespolizei vor. Dieser sagt aus, dass sich eine ganze Seite des Staatsschutzberichtes 2000 des Bundesamtes für Polizei mit dem „Fall Kessler“ befasse. Dieser Bericht sei der Öffentlichkeit zugänglich.
Kessler sei kein unbeschriebenes Blatt. Indizien deuteten darauf hin, dass dieser nicht nur VgT-Präsident, sondern auch Chef der vor allem von Bauern und Schweinemästern gefürchteten, aus dem Untergrund operierenden Tierbefreiungsfront (kurz: TBF) sei. Die TBF operiere jenseits staatlicher Legalität, geniesse jedoch bei der Tierschutz befürwortend eingestellten Bevölkerung hohes Ansehen und viel Goodwill.
Kessler sei nicht nur ein von Fachleuten immer wieder zitiertes „taktisches Genie“ , sondern auch ein Meister der Verwandlung Nachrichtendienstlichen Meldungen zufolge sei Kessler z.B. in Afghanistan bekannt unter dem Namen „Osama Bin Kessel“, in Ägypten als „Abdul Gamal El Kessel“ sowie in Israel als „Gershon Kessel“. Kessler sei in seinen Aktivitäten nie zu unterschätzen.

Doch die Frage bleibt bestehen: Ist Kessler geizig?
„Aber nun zum eigentlichen Punkt: Ist Kessler geizig?“ fragt der Gerichtspräsident den Vertreter der Bundespolizei.
„Aus sämtlichen Akten, die wir über Kessler haben (Fax-Kopien, aufgezeichnete Telefonanrufe, Überwachungen, Abhören des Hauses, abgefangenen E-Mails, Kontoverkehr etc.) kommen unsere Spezialisten zum Schluss, dass Kessler nicht die Mentalität eines altruistischen und grosszügigen Mäzens besitzt.“

Emotionsgeladene Atmosphäre
Das sei unerhört, wendet sich Kessler an den Richter. Jetzt werde sogar noch auf derartig perfide Weise „Staatsterror“ gegen ihn betrieben. Er werde sich solches keinesfalls bieten lassen und gegen „solche Stasi-Methoden“ mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln kämpfen.
Im Gerichtssaal sorgen die Ausführungen des Bundespolizeibeamten für grosses Aufsehen. Gerüchte zirkulieren weiter im Publikum, dass Kesslers Haus in Tuttwil eine einzige schwerbewachte Festung sei und der Teich und die beiden Enten in seinem Garten nur der Tarnung dienten.

Doch so leicht ist Kessler nicht klein zu kriegen. Die Verhandlung geht weiter…
Der Gerichtspräsident: „Vor einiger Zeit haben Sie die sogenannte Schächt-Ausgabe der VgT-Nachrichten in einer Auflage von 2,6 Mio. Exemplaren in sämtliche Haushaltungen der Deutschschweiz verteilen lassen. Daraus lässt sich schliessen, dass Sie über beträchtliche finanzielle Mittel verfügen müssen…“
„Ah, endlich kommen sie damit…“ denkt sich ein sich jetzt still freuender Erwin Kessler, der auf diese Frage lange gewartet hat und bestens auf dieses Szenario vorbereitet ist…

Kesslers Bollwerk
In dieser Frage ist gegen Kessler kein Durchkommen, seine Verteidigung ein unbezwingbares Bollwerk. Dutzende Male hat der promovierte Doktor der Naturwissenschaft in seinem Haus in Tuttwil sämtliche möglichen Kombinationen, Fragen des Gerichts, Einwände etc. wie ein Schachweltmeister gedanklich durchgespielt. „Ich will Meier heissen, wenn die in diesem Punkt auch nur die geringste Angriffsfläche finden“, sagt ein mit sich selbst zufriedener und selbstsicherer Erwin Kessler ein Tag vor der Verhandlung.
Das Gericht beisst beim Thema Geld bei Kessler tatsächlich total auf Granit. Er habe seinen einträglichen Beruf als Bauingenieur aufgegeben um sich beruflich fortan voll dem Tierschutz zu widmen, erläutert Kessler. Die Buchhaltung des VgT liege in den Händen eines Treuhandbüros und werde vom Kanton Thurgau (aus Gründen der Steuerbefreiung) geprüft; sie könne vom Gericht jederzeit eingesehen werden. Der VgT verfüge lediglich über ein bescheidenes Vereinsvermögen und die Arbeit werde laufend den eingehenden Spenden angepasst. Andere gemeinnützige Organisationen würden meistens von gut bezahlten Managern geführt, wogegen er sich mit einem „lebensnotwendigen Minimallohn“ begnüge.

Diese Worte bleiben nicht ohne Wirkung
Ein Durchsehen sämtlicher Unterlagen, abermaliges Nachfragen des Gerichts bringt rein gar nichts zu Tage. Juristisch gesehen steht Kessler betr. Geld da mit schneeweisser Weste, wie es weisser gar nicht gehen kann.
Diverse Anwälte, die aus reiner Neugierde als Zuschauer den Prozess verfolgen, sind vom Dargebotenen begeistert: „Es ist so, wie Kessler-Fans sagen: Er ist brilliant und ein taktisches Genie!“
Und aus dem Gesicht eines Vertreters der Privatbank Sarasin aus Basel wie dem des Filialdirektors der Raiffeisenbank Wängi (Thurgau), die im Saal anwesend sind, lässt sich Erleichterung ablesen.

Kessler wittert Morgenluft
Während er bis jetzt – 3/4 Verhandlungszeit ist verstrichen – sich sehr zurückhaltend und verhältnismässig leise gab, holt er jetzt zu den berühmten harten rhetorischen Schlägen aus und bezeichnet Beeler öffentlich als „Träumer“ und „Fass ohne Boden“.
Der Gerichtspräsident ruft zur Mässigung im Ton auf. Es sei verständlich, dass sich Kessler über Beelers Vorwurf „Geiz“ nicht besonders freue. Aber die Verhandlung müsse trotzdem weniger emotional, sondern vielmehr sachlich geführt werden.
„Mhnja, gut,“ hört man einen diesem rationalen Argument gegenüber zugänglichen Erwin Kessler leise vor sich hin sagen, „aber dann muss man mir auch nicht Geiz vorwerfen!“

Der unerwartete Auftritt von Dipl.-Ing. Paul Bossert, Pionier der modernen Dämmtechnik
In den Zeugenstand gerufen wird weiter Paul Bossert, Dipl.-Ing. aus Oetwil an der Limmat. Gegenüber dem Gericht gibt er zur Auskunft, dass er Kessler nicht persönlich kenne, aber diesen „suspekt“ finde. Zu Beeler befragt, meint Bossert, dieser habe „eine Meise“.
Der Gerichtspräsident wendet sich unauffällig an den Gerichtsschreiber und frägt diesen mit vorgehaltener Hand, wieso Bossert überhaupt als Zeuge geladen worden sei, wenn er doch zur Sache selbst nichts Relevantes vorzubringen habe. „Wer ist dieser Bossert eigentlich? Was hat er mit Beeler und Kessler zu tun?“ Niemand weiss eine Antwort.

Urteil des Schwyzer Kantonsgerichts
Das Gericht kommt sogar zum Schluss, Erwin Kessler als „Dr. Geiz“ zu bezeichnen, sei keinesfalls persönlichkeitsverletzend, sondern legitim, weil es zutreffe. Wahre Aussagen würden durch die Meinungs- und Pressefreiheit geschützt. Alle Indizien und Untersuchungen hätten ergeben, dass Kesslers Geiz „akademischen Grad“ aufweise. Urs Beelers Kritik an Erwin Kessler sei „fundiert“ und im Laufe der Prozesse „eindeutig bestätigt“ worden.

Wird Kessler die Niederlage akzeptieren?
Über diesen Prozessausgang vor dem Schwyzer Kantonsgericht ist Kessler gar nicht begeistert. Laut Urteil muss er sämtliche Gerichtskosten, die Kosten der Gegenpartei wie auch seinen eigenen Anwalt berappen.
Kessler in gereiztem Ton zu seinem Anwalt, er habe ihn beauftragt, diesen Prozess zu gewinnen und nicht zu verlieren. Der Anwalt rechtfertigt sich, dass die meisten Indizien und Aussagen tatsächlich gegen ihn gesprochen hätten, da könne er nichts dafür. Jetzt falle er ihm sogar noch in den Rücken, wettert ein aufgebrachter Erwin Kessler. Er würde nicht teure Anwaltshonorare zahlen, um dann eine Niederlage einstecken zu müssen. (Kessler verschweigt, dass der beauftragte Anwalt – selbstverständlich langjähriges VgT-Mitglied – sowieso zu einem viel günstigeren Tarif arbeitet). Kessler erwähnt weiter, dass er nicht gewillt sei, diese Prozessauslagen aus der eigenen Tasche zu bezahlen: „Wenn das jemand bezahlt, dann höchstens der VgT, aber sicher nicht ich.“ Schliesslich sei er dessen Präsident. Der Vorwurf des Geizes habe nicht ihn als Privatperson betroffen, sondern sei „gezielt gegen ihn als VgT-Präsident gelaufen.“ Deshalb müsse der VgT für die Kosten aufkommen. Der Anwalt getraut sich nicht, ihm zu widersprechen.
Kessler ist – was in der Öffentlichkeit äusserst selten geschieht – etwas aus der Fassung geraten. „Nein, natürlich zahlen wir nicht. Stattdessen ziehen wir die Sache weiter“, kommt ihm in der Aufregung mit etwas Verspätung der naheliegende Gedanke. Er werde alle juristischen Mittel ausnützen, um zu seinem Recht zu kommen.

Weiterzug ans Bundesgericht in Lausanne
Das Bundesgericht erwähnt zusätzlich zu den Argumenten der Vorinstanzen im Urteil, Kessler habe in den Jahren 1997/98 regelrecht mit Geld geprahlt und von „1 Mio. freien, einsetzbaren Barmitteln“ gegenüber Beeler gesprochen, die er nötigenfalls im „Schwyzer Schweinekrieg“ in die Mythen-Post investieren könne. Beeler habe damals aus Gründen der journalistischen Freiheit und Unabhängigkeit dieses Angebot abgelehnt und gesagt, dass er unabhängig und aus eigener Kraft weiterkämpfen werde.
Da Kessler 5 Jahre später seinem langjährigen Weggefährten in einer Notsituation finanzielle Hilfe hätte leisten können, diese aber verweigert habe, sei der Vorwurf des Geizes durchaus gerechtfertigt. Urs Beeler sei freizusprechen.

Kessler holt seinen letzten Trumpf aus dem Ärmel
Kessler – in Rage – engagiert jetzt als letzten Joker Ludwig A. Minelli, Zürcher Staranwalt und Spezialist für Menschenrechte. Mit ihm an der Seite wird der Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen. Im Laufe dieses Verfahrens stellt sich heraus, dass Kessler seit Jahren seiner Ehefrau Heidi viel zu wenig Haushaltgeld zur Verfügung gestellt hat. Bewiesen wird dies u.a., indem man Frau Kessler das Jahr durch nur mit ganz schlichtem, meist orangen Gewand („Nachthemd“) gekleidet sieht bzw. sah. Das habe mit (…) zu tun und nichts mit Geld, verteidigt sich Kessler. Feministinnen jedoch sind überzeugt: Diese Frau leidet seit Jahren unter ihrem Mann – auch finanziell.

Oberster Gerichtshof bestätigt: Kessler ist geizig!
Ausschlaggebend für das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist jedoch, dass in den VgT-Nachrichten „stets karge Malzeiten auf kargen Holztischen mit daneben plazierter Kerze“ als Menü-Tipps präsentiert würden. Dadurch, so erklärt das Gericht, würde ein Leser kaum richtig satt und es sei aufgrund aller Indizien und Gutachten erwiesen, dass Kessler tatsächlich geizig sei…

Ein allerletzter Versuch, das Blatt doch noch zu wenden…
„Diese Menüs habe nicht ich gemacht, sondern meine Frau! Ich habe die Teller lediglich photografiert und in den VgT-Nachrichten veröffentlicht“, sagt Kessler nach Durchlesen des schriftlichen Urteils aus Strassburg. – „Mag sein“, meint dazu Rechtsanwalt Ludwig A. Minelli, „nur nützt uns das nichts. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist definitiv und lässt sich nicht mehr weiterziehen.“

Schluss
Schweissgebadet wacht Erwin Kessler in seinem Ohrensessel in der warmen Stube seines Hauses in Tuttwil auf. Alles nur geträumt. Vor einer Stunde eingeschlafen bei der Lektüre der „NZZ am Sonntag“.

 

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