Die Geschichte eines interessanten Ortes am Vierwaldstättersee
Heute ist es zwar nicht mehr so, dass gekrönte Häupter monatelang in Gersau weilen, doch mit seiner prächtigen Aussicht, seinem milden Klima und dem schönen Wandergebiet ist der beschauliche Ort am Vierwaldstättersee ein beliebtes Ausflugsziel geblieben.
Einst nur auf dem Wasserweg erreichbar
Eingeschlossen zwischen Gersauerstock und Rigi-Hochflue hatte Gersau über Jahrhunderte nur den Vierwaldstättersee als Öffnung zur Aussenwelt. Der ganze Verkehr ging über das Wasser. Erst 1867 wurde eine Strassenverbindung mit Brunnen und 1886 bis 1889 eine solche mit Vitznau erstellt. Heute sind zwar Busverbindungen in beide Richtungen vorhanden, die Schiffe spielen aber nach wie vor eine wichtige Rolle. Besonders die Fähre hinüber nach Beckenried – übrigens die einzige auf dem Vierwaldstättersee – ist meistens gut frequentiert.
Kleinste Republik der Welt
Die abgeschiedene Lage hat eine ungewöhnliche politische Entwicklung ermöglicht. Ungefähr 400 Jahre lang war Gersau Freistaat und Republik, die kleinste Republik der Welt! Im Jahre 1390 erkaufte es sich von der habsburgischen Verpfändung und Vogteigewalt los, wurde freie, unverpfändbare Gemeinde und gehörte zugleich freiheitlich dem Bündnisverband der Eidgenossenschaft an. 1433 erhielt die Dorfschaft von Kaiser Sigismund die urkundliche Bestätigung der alten Freiheiten und Privilegien und wurde als reichsunmittelbare Gemeinde direkt unter den Schutz des deutschen Kaisers gestellt. Das freiheitliche Gemeindeleben, das im Hofrecht vom 28. Juni 1436 geregelt wurde, umfasste u.a. die Pflicht zur Teilnahme an der Landsgemeinde für alle Dorf- und Kirchgenossen ab dem 14. Lebensjahr und die Einrichtung eines „Bussgeldes“ bei Heirat mit einer auswärtigen Frau.
Heute ein selbständiger Bezirk
Mit dem Untergang der alten Eidgenossenschaft fand auch die Republik Gersau ihr Ende. 1814 beschloss die Landsgemeinde zwar, „die alte Ehrwürdige Verfassung, wie sie vor der unglücklichen Revolution ‚bestunden und bey‘ welcher wir über 450 Jahre glücklich waren, wieder einzutreten und sich dem löblichen Bundts- und Schirmorten Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalten nach alten Verträgen Bundes-Inhalt als getreue Bundesgenossen anzuschliessen“, im Jahre 1817 wurde Gersau jedoch trotz Widerstand dem Kanton Schwyz zugeschlagen. Immerhin blieb es bis heute selbständiger Bezirk mit eigenem Gericht.
Wirtschaftliche Bedeutung
Der isolierten Lage zum Trotz hatte Gersau schon in der alten Zeit eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung. Im 13. Jahrhundert, als der Ort lediglich 200 Einwohner zählte, waren nicht weniger als vier Mühlen vorhanden, die das Korn von jenseits des Sees mahlten. Später erlangten die Gersauer Nagelschmieden grosse Bedeutung, und ab dem Jahre 1730 verschrieb sich der Ort der Seidenwäscherei und -spinnerei, die ihre Blütezeit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte. Die seit Generationen bestehende Schappe- und Cordonnet-Spinnerei Camenzind & Co. beschäftigt heute noch rund 80 Angestellte.
Gastfreundliches Dorf
Mitte des 19. Jahrhundert begann sich ein weiterer Wirtschaftszweig zu entwickeln: der Tourismus. Die spezielle Lage an der Rigi-Sonnenseite, vom Biswind verschont, zog viele, auch prominente Besucher an. Die Chronik berichtet, dass unter anderen Königin Wilhelmine von Holland häufig in Gersau Gast war. Und auch den grossen Musiker Brahms zog’s an den schönen Ort am Vierwaldstättersee.
Im Jahre 1875 gab es bereits 30 Hotels, Gasthäuser, Restaurants und Pensionen. Heute stehen 800 Betten in 14 Hotels – 12 davon im Dorf und 2 auf dem Rigi – zur Verfügung. Die meisten Gäste kommen aus dem Ausland. Deutsche, Holländer und Engländer stehen an der Spitze.
Wichtig für diesen Tourismus-Erfolg ist sicher einmal die Gastfreundlichkeit der Gersauer, aber auch das besondere Klima. Es gilt als das mildeste am Vierwaldstättersee. Gersau kann es – in dieser Hinsicht – jederzeit mit Kurorten wie Lugano, Montreux oder sogar Meran aufnehmen.