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Was verschiedene Gesten zu bedeuten haben

Ein Norweger, ein Koreaner und ein Massai, die zusammen auf einer einsamen Insel ausgesetzt würden, wären durchaus in der Lage, sich untereinander zu verständigen. Sie könnten sich ihre Stimmungen und Absichten ohne Worte mitteilen, weil alle Menschen über ein grosses Repertoire allgemeinverständlicher optischer Signale verfügen. Wie diese Gesten entstanden sind, lässt sich heute nicht mehr genau feststellen. Die moderne Verhaltensforschung kann jedoch eine ganze Reihe von Ausdrucksmitteln, die wir heute wie selbstverständlich benutzen, bis zu ihren Wurzeln zurückverfolgen. Die meisten davon sind bereits jahrhundertealt und durchtränkt von Geschichte.

Das Kopfnicken
Das Nicken mit dem Kopf, immer eine Geste der Bejahung, ist fast auf der ganzen Erde anzutreffen. Die entlegensten Stämme von den Ureinwohnern Australiens bis zu den Eingeborenen von Feuerland benutzen das Kopfnicken als Ja-Zeichen, als ihnen Weisse das erstemal begegneten.

Das Kopfschütteln
Es ist gleichfalls fast weltweit verbreitet und drückt immer Verneinung aus. Wie viele andere wichtige Gesten stammt es aus unserer frühen Kindheit, der Zeit, als wir gestillt wurden oder die Flasche bekamen. Hat ein Baby keinen Hunger, so weist es die Brust zurück, indem es den Kopf scharf zur Seite dreht. Aus diesen Anfängen, so wird vermutet, stammt das Kopfschütteln des Erwachsenen. Wenn Eltern ihrem Kind warnend mit dem Zeigefinger drohen, ahmen sie das Kopfschütteln mit dem Finger nach – und verstärken und beschleunigen dabei oft dieses Signal.

Das O.K.-Zeichen
Wenn ein Amerikaner zu verstehen geben will, dass etwas Klasse, bestens, grossartig ist, hebt er die Hand und formt mit Daumen und Zeigefinder einen Ring. Dieses Zeichen geht auf eine Geste zurück, die Menschen in vielen Ländern unbewusst machen, wenn sie zum Ausdruck bringen wollen, dass etwas vorzüglich ist. Um zu betonen, dass etwas genau richtig ist, tun wir unwillkürlich so, als hielten wir mit den Spitzen von Daumen und Zeigefinger etwas sehr Kleines fest, und dann bilden die beiden Finger automatisch einen Kreis. In Amerika hat diese unbewusste Bewegung die Bedeutung O.K.
Doch der Ring kann auch etwas ganz anderes ausdrücken. In Japan steht er für Geld (weil Münzen rund sind!); in Frankreich besagt er „taugt nichts“ (der Kreis als Null); in Malta, Sardinien, Griechenland, Deutschland, Österreich und in unserem Land gilt er als obszöne Beleidigung.

Das Armhochreissen
Diese althergebrachte Pose, die von Boxern und Ringern nach siegreicher Beendigung eines Kampfes gern eingenommen wird, ist eine der vielen Triumphgebärden. In solchen Augenblicken verleiht der Sieger seiner plötzlichen Rangerhöhung dadurch Ausdruck, dass er sich auf die eine oder andere Weise grösser macht. Kinder springen aufgeregt in die Höhe. Bei Erwachsenen kann man je nach der Umgebung verschiedene Bewegungen beobachten, doch werden häufig die Arme hochgerissen.
Oft wird diese Geste noch dadurch verstärkt, dass der Sieger von seinen Anhängern auf die Schultern gehoben oder auf einem Fahrzeug zur Schau gestellt wird (z.B. im Rallye-Sport). Der siegreiche Sportler oder Politiker, der sich im offenen Wagen stehend durch die menschengesäumten Strassen fahren lässt, erweckt, ohne es zu wissen, den alten römischen Triumph wieder zum Leben. Der siegreiche Feldherr zog damals, mit Lorbeer bekränzt, auf einem vierspännigen Prunkwagen in Rom ein.

Der Gruss
Er war ursprünglich ein Akt symbolischer Unterwerfung – das Hutabnehmen war Teil einer förmlichen Verbeugung. In früheren Jahrhunderten verneigte man sich so tief, dass der abgenommene Hut fast den Boden berührte. Diese umständliche Zeremonie wurde dann zum modernen militärischen Gruss vereinfacht, bei dem die Hand elegant an die Schläfe geführt wird. Die gleiche Geste hat sich als Gruss unter Freunden erhalten – man tippt mit den Fingern lässig an den Hutrand oder die Kopfseite.

Daumen hoch, Daumen runter
Wenn ein römischer Gladiator im Kampf in der Arena unterlag, gab es zwei Möglichkeiten – entweder wurde er verschont, oder der Sieger brachte ihn auf der Stelle um. Die Zuschauer konnten die Entscheidung mit dem Daumen beeinflussen. Wenn der Mann sterben sollte, stiessen sie den ausgestreckten Daumen nach unten – offenbar eine Nachahmung des Schwertstosses, mit dem das Opfer durchbohrt wurde. Es wird häufig angenommen, zum Zeichen der Begnadigung seien die Daumen nach oben gerichtet worden, doch das scheint ein Irrtum zu sein. Der in den antiken Schilderungen gebrauchte Ausdruck pollice compresso bedeutet wörtlich „mit gedrücktem Daumen“; die Zuschauer streckten die Hände vor und verbargen den Daumen dabei mit den anderen Fingern. Das hiess etwa: nicht zustossen!
Der nach oben gerichtete Daumen, der „gut, in Ordnung“ signalisiert, hat sich ebenso wie das durch Winston Churchill berühmt gewordene V-Zeichen (für „Sieg“, englisch victory) im Zweiten Weltkrieg von England aus in viele Teile der Welt verbreitet.

Das An-die-Stirn-Tippen
Für viele bedeutet es, dass man den anderen für dumm oder verrückt hält. Um die Sache klarer zu machen, könnte man mit dem Zeigefinger an die Schläfe kreisförmige Bewegungen vollführen. Das hiesse dann: „Wohl eine Schraube locker“, oder wäre ein Hinweis, dass sich im Kopf des andern alles drehe. Manche Menschen würden jedoch selbst diese Geste nicht verstehen. In Saudi-Arabien etwa signalisiert man Dummheit, indem man mit dem Zeigefinger das untere Augenlied berührt (vgl. auch Peter Strohm im Nachspann der gleichnamigen Krimiserie). In anderen Gegenden bewegt man die Hand vor halbgeschlossenen Augen auf und ab

Das Winken
Menschen pflegen allgemein eine Begegnung mit einem Grusszeremoniell zu beginnen oder zu beenden. Wir haben Grussriten wohl schon vor vielen Jahrtausenden gebraucht. In der Frühzeit waren die Männer für die Nahrungsmittelbeschaffung zuständig. Die Jäger verliessen die Gruppe und kehrten später mit der Beute an den heimischen Herd zurück. Weil vom Gelingen der Jagd so viel abhing, waren das wichtige Augenblicke. Und so wurden vielfältige Begrüssungs- und Abschiedszeremonien entwickelt.
Wichtigster Teil der Begrüssung war – und ist – der Augenblick, in dem der Körperkontakt hergestellt wird. Bei grosser Intensität besteht er aus einer ausgiebigen Umarmung mit gegenseitigem Ansichdrücken, Wangentätscheln, Schulterklopfen, mit Küssen, Lachen und sogar Weinen. Doch zuerst kommt der Moment, in dem sich die Freunde von weitem erkennen. Vermutlich vollführt man in diesem Augenblick in der ganzen Welt eine ganz bestimmte Armbewegung. Das senkrechte Auf- und Niederfahren der Hand, das Winken, leitet sich aus dem Bedürfnis her, den anderen Menschen schon von weitem zu berühren.

Das Händeschütteln
Diese Handlung gehört ebenfalls zum Begrüssungsritus. Die verschiedenen Kulturkreise haben für die Nahbegrüssung unterschiedliche Ausdrucksformen gefunden.
In einigen Ländern wird der Kopf-an-Kopf-Kontakt zum Nasenreiben oder zum stilisierten Wangenkuss. Europäer und Amerikaner bedienen sich einer ganzen Reihe körperlicher Kontakte von abnehmender Intensität; an ihrem Ende steht der formelle Händedruck. Doch sie alle sind Variationen ein und desselben Themas – der Umarmung. Sie ist die fundamentale menschliche Kontakthandlung, die wir als Säugling und Kinder alle kennenlernen und auf die wir zurückgreifen, sooft wir einem anderen Menschen unsere Zuneigung zeigen möchten und die Umstände es erlauben.

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