Gedanken und Erinnerungen zum Geburtstag
Dienstag, 19. Oktober 2004
Im Juni 1988 starb mein Vater Peter Beeler-Betschart nach kurzer, schwerer Krankheit. Blickt man zurück, hätte dieser Tod bei sorgfältiger ärztlicher Kontrolle der Blutwerte Jahre zuvor möglicherweise verhindert werden können. Es ist sogar möglich, dass dieser Tod nie eingetreten wäre und auf Nebenwirkungen ärztlich verschriebener Medikamente zurückzuführen ist. [Anmerkung: Eine mögliche Ursache hätte u.U. auch der Umgang mit Chlor – Vater Peter Beeler arbeite viele Jahre bei der Wasserversorgung Schwyz – sein können.] Einer von hunderten, wenn nicht tausenden in der Schweiz! Nachweise sind in einem solchen Fall schwierig, weil die meisten Ärzte sich in solchen Fällen gegenseitig wie Mafiosi decken. Es braucht schon „vergessene“ Scheren nach operativen Eingriffen, bis – vielleicht – Schweizer Medizinopfern Gerechtigkeit zuteil wird. Wobei dieser juristische Kampf in der Regel viele Jahre dauert und die wenigsten bereit bzw. in der Lage sind (psychisch und finanziell), ihn gegen die Verantwortlichen zu führen.
Erinnerungen
Seit dem Tod meines Vaters sind 16 Jahre vergangen. Was ist von ihm übrig geblieben? Schöne Erinnerungen. Ich denke da an die herrlichen gemeinsamen Ausflüge mit unserem geliebten Renault 14 TL Spécial ins Bündnerland. (Dem Aus im Jahre 1995 für dieses superbequeme Auto durch das Verkehrsamt Schwyz und auf das Hören falscher „Berater“ traure ich noch heute. Ich hätte den Renault einstellen und restaurieren lassen sollen).
Sein Lebenswerk – die Nutzung der Alten Brauerei; hätte ich das Wissen von heute im Jahre 1999 gehabt, die Rettung wäre mir garantiert gelungen. Trotz Ratten in der Schwyzer Kantonalbank, vielen Heuchlern, Wortbrüchigen, verspieltem Geld und vielleicht „gut gemeint“, aber falsch durchgeführten Renovationen von Willy Kuster. Dass mir das wegen fehlender Solidarität nicht geglückt ist, tut mir unendlich leid. Und ich könnte mich dafür zur Strafe selber richten.
Mein Vater hat aus „nichts“ (mehr: Schulden meines Grossvaters!) etwas aufgebaut, arbeitete als Schreiner, Portier, Bahnangestellter, Kontrolleur, Architekt, Brockenkammer-Besitzer, Antiquitätenhänder. Während dem II. Weltkrieg war er bei den Sappeurtruppen (Pioniertruppen) eingeteilt, brachte als Soldat im Urnerland Sprengladungen an Eisenbahnbrücken an, begleitete Goldtransporte in die Gotthardfestung, half beim Brückenbau im Tessin mit. Unvergesslich ist mir dabei die Geschichte, wie sich mein Vater über die Schikaniererei eines Vorgesetzten (Leutnant oder Oberleutnant) gegenüber Angehörigen seiner Einheit sehr betoffen fühlte. Meine Mutter erzählte, dass sie nie vergessen habe, wie damals Vater als Soldat gesagt habe: „Wenn der so weiterfährt, mache ich ihn fertig.“
Als entschlossener junger Mensch mit Gerechtigkeitssinn hätte er dies – trotz aller Konsequenzen – wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit auch getan. Typisch Beeler! Soweit kam es – zum Glück – jedoch nicht. Bei einer Sprengung jage sich der besagte Leutnant oder Oberleutnant selber in die Luft – und dadurch hatte sich das Problem von selbst gelöst.
Ein viel zu langer Aktivdienst
Mein Vater absolvierte 1939 die Rekrutenschule; darauffolgend fand wegen dem Ausbruch des II. Weltkrieges die Mobilmachung statt. In der Folge musste mein Vater über 1’000 Diensttagen. Keine schöne Zeit. Eine Art „gestohlene Jugend“.
Der freiheits- und unabhängigkeitsliebende Selfmademan
Vater arbeitete 1946 bis 1965 als Abwart im Casino Schwyz, betrieb eine kleine Schreinerei, handelte mit Antiquitäten/Occasionen und betätigte sich noch in allerlei anderen Jobs. 1960 kaufte er die Alte Brauerei Schwyz, richtete dort die Brockenkammer sowie ein Antiquitätengeschäft ein, arbeitete zusätzlich noch bei der Wasserversorgung Schwyz (Dorfgenossenschaft Schwyz)
Ich kann mich noch gut daran erinnern wie wir mit dem Döschwo (wunderschöner hellblauer Citroën 2 CV), später dem hellblauen Renault 6 ins Pumpwerk nach Ibach gefahren sind oder zum „Stalden“ nach Rickenbach. Bei der Pumpstation Ibach absolvierte ich übrigens meine ersten Fahrversuche mit dem R6.
In Erinnerung ist mir auch noch, wie wir Kupferartikel auf der Bernerhöhe für die Brockenkammer kauften und mein Vater – wie immer – alles gleich bar (mit den damals grossen Schweizer Banknoten – bezahlte.
Das Wesen
Mein Vater war ein grundehrlicher, fairer und sehr sozial denkender Mensch. Ähnlich war und ist auch meine Mutter, jedoch in anderer Form.
Unermüdliche Arbeit zeichnete das Leben meiner Eltern, Gotte usw. aus. Vom wirtschaftlichen Druck behüteten sie mich, so dass ich eine sehr schöne Kindheit erleben durfte. Wobei in den Sechziger-, Siebziger-, später auch in den Achtzigerjahr und vor allem um 1990 herum „eine ständige Bauerei“ stattfand. Von der wurde ich praktisch immer herausgehalten – und konnte mein „Künstlerleben“ leben.
Mein Vater hätte mich seinerzeit als guter Schüler gerne auf der Schwyzer Kantonalbank (!) gesehen. Aber das wäre vermutlich nicht gut herausgekommen… Wobei dann die alternativ dazu stattgefundenen 5 Jahre Kantonsschule Kollegium Schwyz ein zermürbender Krieg waren. Keine schöne Zeit.
Nietzsche hat einmal geschrieben, dass das Verborgene, Ungelebte des Vaters im Sohn zum Vorschein komme. Mein Vater war ein phänomenaler Gefühlsmensch mit grossem Sinn für Schönheit (schöne Möbel, Bilder, Bücher usw.), Architektur, konnte hervorragend mit Kindern umgehen und denen auf der Schoss als Märchenonkel – Onkel Peter – Geschichten erzählen. Für meine Cousins mussten solche Geschichten sogar extra auf ein Tonband aufgezeichnet werden.
Mein Vater war ein sehr musischer Mensch. Gerne hörte er sich die grossen schwarzen amerikanischen Jazz-Legenden an. Er begeisterte sich für das Mandolinenspiel (Kanton Tessin!) und hatte zusammen mit seiner Schwester Berta in der Jugend Mandolinenunterricht in Wettingen (die Familie wohnte damals dort) genommen.
Mein Vater träumte immer von einem hübschen Ferienhaus im Bündnerland. „Dänk a zwei Orte go putzä…!“ so reagierten jeweils meine Mutter und meine Gotte. So blieb es beim Traum.
Frei und unabhängig leben
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Vater (war es in den Siebziger- oder Achtzigerjahren?) die Idee hatte, die Alte Brauerei zu verkaufen und in ein kleineres Haus zu ziehen. Brunnen stand einmal zur Diskussion. Meine Mutter und ich wehrten uns jedoch dagegen.
Mein Vater erzählte mir damals von „Aussteigerplänen“, wie sie HAP (Hans A. Pestalozzi) später auf seiner Schlossweid in Wattwil in die Tat umsetzte. (Damals wussten wir noch gar nichts von HAP). Mein Vater, der auch ein grosser Tierfreund war, träumte von einem netten Häuschen mit ein paar Schafen, Zwerggeissen, Hühner usw. Er erzählte mir, wie sie früher im Dorfbach (Wohnviertel in Schwyz) Hühner gehalten hätten und das sehr schön gewesen sei.
Obwohl mein Vater sich in seinem Leben jeden Franken hart erarbeiten musste, war er ein sehr grosszügiger und grossherziger Mensch. (Total anders als die anderen) Sozial durch die Tat gegenüber unzähligen Verwandten, denen er half, eine eigenen Existenz aufzubauen oder ein eigenes Dach über dem Kopf zu bekommen. Mein Vater lebte vor – ganz im Gegensatz zu den Vätern meiner Schulkameradinnen und -kameraden, die autoritär auftraten, ohne, dass dahinter viel steckte. Ich verstand das damals als Kind resp. Jugendlicher (leider!) noch nicht und erkenne erst heute richtig die grosse Menschlichkeit und das tolle Wesen meines Vaters.
In die Kirche ging er – ganz im Gegensatz zu anderen Familienväter – höchst selten. Er lebte im Grunde das, was christlich ist, tagtäglich. Aber eben ohne „religiöses Zugepäck“. Obwohl er sich z.T. mit Ordensleuten sehr gut verstand – aber sich auch distanzierte, wenn er Anlass dazu sah.
Mit Krawatte sah ich ihn – soviel ich mich erinnern kann – nur an Hochzeiten. Sonst schlicht gekleidet – als Arbeiter. Im Sommer mit Überhosen, Unterhemd und Hosenträgern – wie ich!
Selbst wenn er Millionen besässen hätte, würde er sich vermutlich nie einen Mercedes geleistet haben. Seine Liebe galt französischen Kleinwagen: Döschwo, Citröen Ami, Renault 6, R14. Dafür aber keine Billigmöbel, -Teppiche etc. Schön und wohnlich sollte es sein!
Und ebenso wurde auch beim Essen nie gespart. Immer wurde Wert auf Qualität gelegt, aber nie auf „Schikimicki“. Mit Freude denke ich an die vielen köstlichen Essen, vor allem im Bündnerland (z.B. Hotel Post, Davos).
Was gibt’s sonst noch zu berichten? Dieselbe Behördenskepsis, wie ich sie besitze. Wobei mein Vater – wenn ich über die Schule, Behörden etc. wetterte – dieselben dann meist in Schutz nahm…
Neben der Sturheit (übrigens auch ein Merkmal meiner Mutter, aber in anderer Form) war bei meinem Vater die Eifersucht ein Charakteristikum. Neid auf Reiche mit tollen Häusern, Autos, Geld usw. kannte Vater Beeler nicht – nicht im kleinsten Ansatz. Aber er hielt seine Frau quasi als „Besitz“. Gnade Gott demjenigen, der es gewagt hätte, meiner Mutter nachzustellen…
Zum 85. Geburtstag meines Vaters wünsche ich, dass er im Paradies lebt, das er sich zu Lebzeiten (wie ich heute) immer gewünscht hat. Verdient hat es sich dieser gute, liebenswürdige und tolle Mensch tausendfach.
Urs Beeler