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Dr. med. Ruth Gonseth, Dermatologin

Original-Text zu finden unter: http://www.parlament.ch/ab/data/d/n/4604/18116/d%5Fn%5F4604%5F18116%5F18409

Nationalrat – Herbstsession 2000 – Vierte Sitzung – 25.09.00-14h30

Ruth Gonseth: Ich spreche zu meinem Eventualantrag und gleichzeitig auch für die grüne Fraktion zu diesem Artikel.
In meiner Arbeit als Hautärztin bin ich immer wieder mit Allergien infolge von Innenraumbelastung konfrontiert. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, dass wir heute eine genügende Regelung für die Prävention schaffen. Ein „krankes“ Haus – das wissen wir – kann auch seine Bewohner krank machen. Dafür sind nicht nur die Milben, die Tiere, die im Haus sind, verantwortlich, sondern eben auch sehr viele Baustoffe, sehr viele Stoffe, die beim Hobby bzw. im Haushalt gebraucht werden. Die Symptome dieses so genannten Sick-Building-Syndroms sind Kopfschmerzen, Reizung von Schleimhäuten wie Augenbrennen oder Dauerschnupfen, es sind Atembeschwerden, Asthma, allergische Hautreaktionen, verminderte Leistungsfähigkeit usw. Die auffällige Zunahme von Beschwerden, vor allem auch die enorme Zunahme von Allergien in den letzten zwanzig Jahren, haben auf die Problematik der Innenraumbelastung mit Schadstoffen aufmerksam gemacht. Umweltmediziner sind der Meinung, dass das Übermass an Umweltchemikalien und an Zusatzstoffen in der Nahrung eine dauernde Belastung und Überforderung für das menschliche Abwehrsystem darstellt. Diese Dauerbelastung könnte auch erklären, warum Allergien – nicht nur auf Chemikalien, sondern auch auf natürliche Lebensmittel – ständig zunehmen.

Während heute Chemikalien mit Gift erzeugender oder Krebs erzeugender Wirkung recht gut untersucht sind, weiss man über die reiz- und allergieauslösende Wirkung von vielen Stoffen im Wohnbereich noch sehr wenig
Paradebeispiel für Wohngifte waren für lange Zeit das Formaldehyd und Lösungsmittel, welche in Farben, Lacken, Klebstoffen usw. verwendet werden. Erfreulicherweise werden heute aufgrund dieser Erkenntnisse immer mehr Farben und Lacke ohne Lösungsmittel hergestellt. Doch leider kommen anstelle der Lösungsmittel nun andere allergisierende Substanzen zum Einsatz.
Als Beispiel erwähne ich das stark allergisierende Kathon, welches als Allergen in Kosmetika unter Hautärzten sehr gut bekannt ist. Nun wird dieses Kathon neuerdings als Mittel gegen Pilze und Bakterien in wasserlöslichen Farben, aber auch in Verputzen und Klebstoffen verwendet. Damit wird es zur neuen Ekzemursache in Innenräumen. Aber wie soll man diese Ursache erkennen, wie soll sich ein Kathon-Allergiker schützen, wenn Kathon auf diesen Produkten nicht deklariert werden muss? Wie soll ich in meinem Beruf als Hautärztin die Patienten beraten können, wenn wir wegen des Produktionsgeheimnisses keine Informationen erhalten, wenn keine Deklarationspflichten bestehen?
Ein weiteres Beispiel ist die enorme Zunahme von Duftstoffallergien. Duftstoffe sind in den letzten Jahren zur zweitwichtigsten Ursache von Kontaktekzemen geworden. Ausser in den Kosmetika, in denen sie leider immer noch nicht deklariert werden müssen, spielen sie in den Innenräumen eine wichtige Rolle, da sie ja flüchtig sind und auch in vielen Haushaltprodukten – Sprays, Farben – verwendet werden.

 AB 2000 N 980 / BO 2000 N 980
Wegen der Zunahme solcher Allergien haben beispielsweise die Behörden der Stadt Halifax in Kanada den Gebrauch von starken Parfums in öffentlichen Gebäuden verboten. Dies sind nur zwei von sehr vielen Beispielen, weshalb ich Sie bitten möchte, dem Entwurf des Bundesrates und dem Antrag der Minderheit zuzustimmen.
Wenn Sie bedenken, dass heute mehr als 40 000 verschiedene Baustoffe verwendet und in Innenräumen Tausende von chemischen Substanzen nachgewiesen werden, so werden sie schnell nachvollziehen können, dass man sehr viel Spezialwissen braucht, um daraus die gesundheitsgefährdenden Substanzen zu eruieren und Wege zu finden, sie zu vermeiden. Wir Ärztinnen und Ärzte sind keine Spezialistinnen und Spezialisten, die das können, wir sind keine Chemikerinnen und Chemiker, keine Baufachleute und schon gar keine Detektivinnen und Detektive, die die Möglichkeit haben, bei den Patienten zu Hause nachzuforschen.
Deshalb können sehr viele Fälle von Sick-Building-Syndrom nicht aufgeklärt werden. Die Patienten kommen weiter mit ihren Atembeschwerden, Gesichtsekzemen und Schleimhautreizungen in die Sprechstunde oder wandern von einer Praxis zur andern, ohne dass ihnen geholfen wird. Am Schluss landen sie dann oft bei Scharlatanen, oder sie werden einfach als psychisch krank abgestempelt. Das ist äusserst unbefriedigend.

Die rasante Zunahme von Allergien auf schon heute 15 Prozent belastet unser Gesundheitswesen mit schätzungsweise einer Milliarde Franken und treibt auch die Krankenkassenprämien in die Höhe
Ich bin deshalb sehr gespannt, wie die vielen Kassenvertreter unter Ihnen heute abstimmen werden. Es geht bei diesem Artikel um Prävention und wirklich nicht um die Schikanierung von irgendwelchen Chemikalien- oder Bauprodukteherstellern. Es geht darum, endlich eine Lücke zu schliessen, gutes fachübergreifendes Fachwissen zu erarbeiten und präventive Massnahmen zu ergreifen damit künftig Ursachen von Krankheiten, Allergien usw. eliminiert werden können. Auch die Kantone haben diesen Artikel unterstützt, damit dieses Fachwissen, das es jetzt gibt nicht verloren geht. Im Vergleich etwa zu Deutschland, wo es beispielsweise allein im Bundesland Hessen acht ärztlich geleitete umweltmedizinische Beratungsstellen gibt, finden bei uns Betroffene kaum Anlaufstellen. Sie werden oft schulterzuckend von Amt zu Amt von Stelle zu Stelle geschickt.
Sie haben alle den Brief der Fachorganisationen erhalten. Das sind Fachleute, die sich seit Jahren mit dieser Problematik befassen, beispielsweise das Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Basel oder die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, welche diesen Wohngiftartikel fordern, weil sie die Problematik aus ihren Praxen kennen und nicht einfach nur immer Medikamente verschreiben, sondern Ursachenbekämpfung betreiben wollen.

Wir brauchen diese rechtlichen Grundlagen, damit die Bevölkerung geschützt werden kann
Ich bitte Sie deshalb, dem Bundesrat und der Minderheit zuzustimmen. Falls die Minderheit unterliegt, bitte ich Sie, meinen Eventualantrag zu unterstützen.
Ich schlage Ihnen vor, in Artikel 20 Absatz 2 die Kompetenz des Bundesrates, Grenzwerte für Schadstoffe in der Innenraumluft festzulegen, zu streichen. Es ist ja diese Kompetenz welche die Gegner dieses Artikels am meisten stört und die wahrscheinlich auch schwierig zu vollziehen wäre.
Ich möchte Sie also noch einmal bitten, im Sinn einer sinnvollen Prävention zu ermöglichen, dass durch Deklaration der Stoffe, die eben diese Allergien auslösen Prävention gemacht werden kann. Für diese Deklarationsvorschriften genügt der neue Artikel 29a nicht. Damit ist es nicht möglich, diese Deklaration zu machen. Deshalb brauchen wir zumindest meinen Kompromissvorschlag.

 

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